Fremdes Licht
lang war er versucht, Khalid die Tragweite dieses
Pakts vor Augen zu führen. Aber Khalid hatte die Gedmetapher
›in Harmonie singen‹ nicht verstanden. Khalid war auch
nicht nächtelang in der Unterrichtshalle gewesen und hatte
– wie er – diesen überwältigenden Wissensschatz
ahnen dürfen, der sich hinter dem friedlichen und unnahbaren
Schweigen der Geds verbarg. Khalid würde nichts begreifen.
Und Dahar sah ein, daß er so auch gar nicht mit Khalid
hätte reden können. Etwas in ihm sträubte sich heftig
dagegen, einen delysischen Kommandanten zu überreden –
etwas, das stärker war als sein Verstand, das nichts zu tun
hatte mit dem abseitigen Dahar und alles mit dem inneren Krieger, der
auf Belasirs Bestrafung wartete. Er konnte Khalid nicht
beschwören, konnte ihn um nichts bitten. Er konnte nur
feilschen mit dem Delysier; und daß sich der innere Krieger
dabei vor Scham wand, mußte er in Kauf nehmen.
»Es war nicht der Soldat, der einen Befehl mißachtet
hat«, sagte Khalid. »Wenn Jela seine Krieger nicht unter
Kontrolle hat, ist das Jelas Sache.«
»Und wenn uns ein delysischer Soldat zuvorkommt, was
dann?«
Khalid unterdrückte rechtzeitig die Regung, einen Blick auf
den großen, helläugigen Soldaten zu werfen. Dahar bemerkte
die winzige Bewegung in seinem Gesicht. »Angenommen«, sagte
Khalid, »nur einmal angenommen, ein Soldat setzt sich über
meinen Befehl hinweg – was schlägt Jela vor?«
Belasir trat einen Schritt vor. Dahar hatte das Gefühl, als
schlage ihm der heiße Atem eines offenen Feuers entgegen.
»Da müßt Ihr die Oberkommandierende fragen«,
beeilte er sich zu sagen. »Ich mache keine Vorschläge, ich
will nur, daß wir diese Möglichkeit nicht außer acht
lassen.«
Khalid wandte sich an Belasir: »Ich kann mir denken, was Ihr
vorschlagt. Wenn ein delysischer Soldat tötet, dann sollen wir
ihn ausliefern. Nein, das ist undenkbar.« Die Art, wie er das
Wörtchen ›das‹ betonte und es dabei tunlichst vermied,
seine Männer anzusehen, war beredt genug. Das nicht, das kann
ich nicht durchsetzen, aber vielleicht etwas anderes…
Khalid wäre diesen Pakt eingegangen, wenn er damit nicht
seine Autorität untergraben hätte. Er hatte sich
dummerweise darauf eingelassen, diesen helläugigen Soldaten
mitzubringen. Aber vielleicht hatte er keine andere Wahl gehabt.
Belasir sagte: »Wir haben Euch einen Krieger ausgeliefert,
und Ihr habt ihn getötet.«
»Weil Ihr es so gewollt habt.«
»Ihr nicht?«
Khalid sagte: »Was also schlagt Ihr vor?«
Dahar bemerkte, wie Belasir zögerte.
Er durfte jetzt nicht die Nerven verlieren. Es lag jetzt bei ihr;
mehr konnte er nicht tun. Er hatte alles ausgereizt: seinen Verstand,
seinen Rang und seinen Einfluß. Sie hatte das Oberkommando,
nicht er, und nun kam es darauf an, ob sie die Kommandantin war,
für die er sie hielt – eine Kommandantin, die den Zorn auf
ihren Stellvertreter dem Wohl von Jela unterordnete. Belasir
würde ihn zugrunde richten, ja – aber heute morgen in der
Halle der Kriegerinnen, da war ihr der Sinn dieses Paktes mit Khalid
aufgegangen. Würde sie diesen Pakt auch zugrunde richten?
Khalid beobachtete ihr nasses Gesicht. Hinter ihm stand der
helläugige Soldat, den Blick auf den Rücken seines
Kommandanten geheftet. Der Sprühregen verwischte alle Konturen.
Hinter Dahar verlagerte Talot ihr Gewicht. Der Augenblick zog sich in
die Länge.
»Einen Pakt«, sagte Belasir. »Und er muß
allen bekannt sein. Drei von euch, drei von uns. Egal, wer tötet
– ob Soldat oder Krieger – den bestrafen wir mit dem Tod.
Aber alle sechs müssen dabei sein, und alles muß so rasch
wie möglich gehen. Ein Pakt, um das Töten zu unterbinden,
und so laßt uns alle miteinander und mit den Geds dasselbe
Schwert der Ehre führen.«
»Ehre«, schnaubte Ischak, und das Wort klang wie eine
Verwünschung. Eine Unbesonnenheit, aber sie bot Dahar, dem
schwindlig war vor Erleichterung, eine winzige Chance. Er drehte sich
nach Ischak um und sagte: »Sei still! Das hast nicht du zu
bestimmen, das ist Sache der Oberkommandierenden,
verstanden?«
»Und meine«, sagte Khalid; seine Stimme hatte etwas
Herausforderndes. Der kleinere Soldat schlug plötzlich die Augen
nieder. Khalid war sich natürlich vollkommen darüber im
klaren, daß ein Stellvertreter des jelitischen Oberkommandos
seinen Krieger normalerweise nicht in Gegenwart des Feindes
zurechtwies. Khalid wußte, daß Dahar keinen leichten
Stand hatte – jeder von ihnen focht seinen
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