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Fremdkörper

Fremdkörper

Titel: Fremdkörper Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miriam Pielhau
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und bekommen auch keine Panikattacken, wenn es darum geht, einmal ein Lob auszusprechen. Und die Verantwortlichen des Senders wiederum geben mir gerade zurzeit das mollig-warme Gefühl, dass sie wie eine Festung hinter mir stehen und wir eine schöne, lustige, große Zukunft miteinander haben werden. Egal, wie meine sehr naheliegende (Zukunft) sich jetzt entwickelt. Das ist alles andere als selbstverständlich. Im Gegenteil: sogar leider eher selten geworden im Bereich Fernsehen und daher umso kostbarer. Ich wusste das bisher schon immer sehr zu schätzen. Dieser Tage wird die Loyalität meiner Arbeitgeber zu einer unversiegbaren Energiequelle. Denn weder Julia und Axel vom Sender noch Borris, Rainer und Pamela von der Produktionsfirma zeigen irgendwelche Ermüdungserscheinungen, wenn es darum geht, mir – in jedweder Form: sms, e-mails, Wagenräder aus Blumen – kundzutun, wie sehr sie mich schätzen, mich unterstützen wollen und bei mir sind, bis »wir das alles durchgestanden haben«. Holla! Bin zutiefst beeindruckt. Und auch berührt. Aber das hat auch wieder mit Tränchen zu tun, deswegen betone ich es nicht so. Der Support zeigt Sofortwirkung. Noch vor der OP beschließe ich Folgendes: Wenn es der Gesundheitszustand erlaubt – meine Ärztin jedenfalls tut es, die habe ich schon gefragt – will ich in zwei Wochen wieder arbeiten. Nicht, weil ich der unglaubliche Hulk bin, übermenschlich mit einer Spur selbstzerstörerischer Selbstüberschätzung, sondern: weil es guttut. Das merke ich auch an diesem Montag. Es ist meine erste Sendung nach Bekanntwerden der Sache. Aber eigentlich ist alles wie immer. Und wie früher. Als wirklich noch alles gut war. Ein bisschen habe ich auch zur Normalität am Set beitragen können. Durch Verhaltensregeln. Eigentlich nur eine, aber offenkundig eine wirkungsvolle, wie sich zeigen wird.
    »Ich habe den Eindruck, keiner weiß genau, wie er jetzt am besten mit dir umgehen soll. Mitgefühl zeigen: ja oder nein. Darüber reden wirst du ja sicher nicht,« das hatte meine Managerin ein paar Tage vorher noch mit mir diskutiert. Meine Antwort war klar: »Nein. Bestimmt nicht. Daher würde ich sagen, wie immer. Also wie immer immer. Ganz normal. Am besten so tun, als wäre wirklich nichts geschehen. Das hilft mir am meisten. Auch für die Konzentration auf die Show.« – »Guter Plan. So machen wir es. Ich gebe das weiter. Denn diese Info wird alle sicherlich erleichtern. Weil es die Situation deutlich entspannt.« Gesagt, getan. Nämlich so getan, als wäre nix. Alle halten sich daran. Keine krampfigen Gesten oder ungelenke Bemühungen, sich mir mit irgendeinem der Lage angemessenen Gefühl zu nähern. Denn: Was ist schon angemessen und was eigentlich genau meine Lage? Wie kann ich von anderen verlangen, etwas zu erkennen und zu verstehen, was selbst ich nicht immer so genau zu definieren weiß? Heißt: Business as usual. Annika macht mir wie immer eine Karaffe Pfefferminztee auf Eis zu meinen sehr gesunden (natürlich!) und hübsch anzusehenden Gemüsesticks mit Quarkdip in der Garderobe. Stephan holt mich zur Durchlaufprobe ab. Ephraim, der Autor, bekommt in den Moderationspausen sein, also mein, Fett weg für die meiner nicht ganz ernst gemeinten Ansicht nach kaaatastrophalen Texte, die er mir vorbereitet hat. Alles. Wie. Immer. Abends, kurz vor der Sendung: Ich stelle mich ins Studiorund, begrüße das Publikum, mache Späße vornehmlich und wie sich das gehört auf meine Kosten und will gerade wieder hinter die Bühne gehen, um mich in den letzten Minuten vor Start noch einmal zu sammeln, da ruft einer: »Miriam, du schaffst das!« Alle – inklusive mir – wissen, dass er nicht die Liveshow meint. Ich drehe mich um und lächle etwas hilflos in die Menge. Dann flüchte ich mich in die Kulisse. Prompt schließt sich mein Hals. Ich schlucke gegen Widerstand und die Augen werden nass. Ich ärgere mich gerade etwas über mich selbst. »Das hat den ganzen Tag so spitze geklappt. Und jetzt wirft mich ein einziger Satz aus der Bahn«, denke ich. »Bin eben doch nur halb so stark, wie ich es mir bisweilen vormache.« Vielmehr Sentimentalität kann ich mir aber auch schon nicht mehr erlauben. Die Sendung beginnt. Wieder ein, zwei tiefe Atemzüge und es kann losgehen. Das Publikum erhebt sich applaudierend von seinen Plätzen, während ich mich auf der Showtreppe bemühe, nicht mich, sondern einen möglichst eleganten Auftritt hinzulegen. Die stehenden Ovationen sind selbstredend durch

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