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Fremdkörper

Fremdkörper

Titel: Fremdkörper Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miriam Pielhau
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schicken »mit lieben Grüßen von der PLAYBOY-Redaktion«, um Tage danach mal die Bereitschaft zu einer Zusammenarbeit abzuklopfen. Also, war ich doof? Nein, war ich nicht. Der absurde Gedanke macht glücklicherweise nur ganz kurz bei mir halt und verzieht sich dann wieder dahin, wo er hergekommen ist. In die Nutzlosigkeit. Dennoch tritt der Kern des Ganzen eine Suche los. Ich verlasse das Bad und tapse in unser Wohnzimmer. Die Fotobände und Mappen sind mein Ziel. Vor allen Dingen die in den hinteren, den versteckten Reihen. Ha-Ha! Ich frage mich, wo meine ganz bestimmten Strandbilder sind? In welchem Urlaub habe ich mich ohne Bikini-Oberteil fotografieren lassen? Und wenn ja, hoffentlich sieht das gefälligst auch gut aus. Keiner will fotografische Baumel-Busen-Memos, ist doch klar. Ich werde ziemlich schnell fündig und kann mich entspannen. Das Foto-Material ist einwandfrei. Egal wem, ich kann beweisen und mich daran erinnern, was für eine narbenfreie Spitzenbraut ich mal war, wenigstens oben rum. Auch, wenn das eigentlich niemanden mehr interessieren sollte. Außer den Mann, mit dem ich seit fünf Jahren verheiratet bin. Ich rede mit dem fünf Jahre alten Ehemann darüber: »Dir ist es egal, ich weiß, aber mir ist es wichtig, dass ich immer nachsehen kann, wie ich vor der schlimmen Sache aussah. Es sind zwar vermutlich nur ein paar Nähte. Aber wer weiß. Ich hätte gerne ein Originalbild von mir. So, wie ich mal gedacht war. Und nicht wie die Krankheit mich gemacht hat. Weißte?« – »Klar. Wenn du was ganz Aktuelles willst, dann lass uns Fotos machen.« Hilfe. Der Überrumpel-Lkw fährt auf mich zu. »Jetzt? Fotos von mir?« – »Ja. Von dir. Deinen Brüsten. Wie auch immer. So, wie du es willst.« Der Lkw fährt an mir vorbei, ohne mich zu erwischen. »O. k. Ähm ... aber ich schmink mich noch ein bisschen. Dann hat es was von professioneller Aktfotografie und nicht den fleckigen Charme einer hastigen Last-minute-Aktion.« Die es ja letztlich ist. Ich brauche viel länger als sonst, um mich aufzuhübschen. Meine Hände zittern, die leicht zu rührende Unterlippe auch. Time to say goodbye. Das Fotografieren selbst ist dagegen ein schmerzloser Vorgang. Mein Liebster knipst, ich bringe mich in Pose, er knipst, ich pose und kann unbesehen darauf vertrauen, dass er nur die schönen Winkel wählt. Der Digitaltechnik sei es gedankt, dass ich mich vom guten Ergebnis sofort selbst überzeugen kann. Dem abtrünnigen Busen, meiner (seufz!) Lieblingsbrust, wurde ein Denkmal gesetzt. Eines für mich. Eines für uns. Und für alle, die ich es wissen lassen möchte. Das muss reichen. Ich speichere diese Bilder auf meinem Computer. Morgen ist OP-Tag. Ab morgen wird alles anders. So fühlt es sich jedenfalls an. Alles auf seine Art neu. Aber auch irgendwie endlich alles gut.

10. 
Macht kaputt, 
was mich kaputt macht
    Mein Kopf dröhnt. Seit Tagen schon. Aber heute morgen so intensiv und vibrierend wie ein aufgedrehter Verstärker. Das Herz schlägt so heftig in den Hals und die Schläfen hinein, dass ich felsenfest davon überzeugt bin, man müsste es auch von außen pulsieren sehen. Alienherz, das Beulen in meinen Brustkorb boxt. Ich starre mit großen, ehrlich gesagt deutlich panischen Augen an die Zimmerdecke. Der Ort: das Krankenhausbett. Auf meinem Oberkörper ist mit Edding bereits eine kleine Landkarte aufgemalt, mit allen Wegen, die das Skalpell gleich gehen soll. Und auch der Wächterlymphknoten – brustseits aus betrachtet der erste einer langen Reihe – wurde durch injizierte Flüssigkeit markiert. Während der Operation wird er mit einem Schnellschnitt auf Tumorzellen untersucht. Ist er sauber, sind es alle dahinterliegenden Lymphknoten auch. Und darauf kommt es jetzt an. Das wäre richtig wichtig. Für meine Prognose und die Gefahr eines Rückfalls. Ich habe in den vergangenen Tagen oft mit meinem alten Herrn darüber geredet, dass er doch bitte dafür sorgen möge, dass zu all dem Übel nicht auch noch befallene Lymphknoten kommen. Ich hoffe, er ist zurzeit nicht überlastet und hat ein Ohr für mich. Bitte, bitte, bitte. Amen.
    »Warum wirkt dieser Beruhigungssaft nicht?«, die unangenehme Hysterie in meiner Stimme ist nicht zu überhören. Oder anders gesagt: Formal und emotionslos betrachtet bin ich eine Zellhalde Angst. Meine Mutter ist glücklicherweise da, außerdem eine sehr liebe Freundin, die einen extrem guten Draht nach oben hat und den auch glühen lassen will, während ich bearbeitet

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