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Fremdkörper

Fremdkörper

Titel: Fremdkörper Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miriam Pielhau
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»Naja, um, ähm, ehrlich zu sein ... ausgerechnet heute«, ich schlucke noch mal, »ausgerechnet heute nicht ganz so gut wie sonst.« Schluck. Klumpen macht sich dicker. Schluck. »Aber nur, weil ich nicht so gut geschl ...« Da fällt mir mein Gegenüber ins Wort: »Hier – wird – nicht – geheult. Verstanden?« Doppelschluck. »Nein, ich will ja auch gar nicht weinen, aber ...« – »Nicht – geheult. Verstanden?«
    Mit dieser Härte hatte ich nicht gerechnet. Mir läuft jetzt wirklich etwas Wasser in die Augen. Und ich hasse mich dafür. Bloß keine Blöße jetzt. Ich jucke mir die Tränen weg und will mich erklären: »Ich bin sonst meistens sehr gut drauf und ...« Wieder unterbricht er mich: »Wissen Sie, was Sie haben? Hm?« – »Ja, natürlich, ich habe ...« Ich kann den Satz noch nicht einmal vollenden. »Sie müssen kämpfen. Verstanden? Kämpfen.« – »Das tu ich doch, ich ...« – »Heulen bringt nichts. Verstanden?« Wir befinden uns meines Erachtens mittlerweile so was von jenseits aller angemessenen Umgangsformen, dass Knigges Bild zur Bedeutungslosigkeit verblasst ist. Die Verteidigung geht in Stellung. Und meine Stimme ist auch einigermaßen stabil, als ich erwidere: »Jetzt hören Sie bitte auf, mich hier wie eine Fünftklässlerin zu behandeln. Ich habe verstanden. Ich bin ja nicht doof.« Er ignoriert meinen Sprung auf die Barrikaden und lässt mahnend seine Stimme auf mich niederprasseln: »Haben Sie überhaupt eine Ahnung, was auf Sie zukommt?« – »Nein, habe ich natürlich nicht.« – »Ich sage es Ihnen: eine Chemotherapie in einer Dosis, da müssen Sie erst einmal durchkommen.« Ach ja? »Das will ich doch auch. Ich will doch ...« Keine Chance. Er macht einfach ungebremst weiter: »Ach, ich kenne so Frauen wie Sie, die dann abbrechen, weil sie nicht mehr können.«
    Jetzt reicht es: »Frauen wie ich? Also, das ist eine Unverschämtheit. Sie wissen doch überhaupt nichts von mir.« – »Ich weiß schon genug. Ich sag Ihnen: Nicht abbrechen. Die ersten beiden Mittel stecken Sie weg. Das letzte wird Sie umhauen. Und da geben dann so Frauen auf. Nicht abbrechen. Verstanden?« Der Klumpen im Hals pocht, als wollte von innen jemand mit dem Gummihammer einen Durchbruch klopfen: »Hören Sie jetzt bitte auf mit diesem Verstanden ...« – »Haben Sie einen Partner?« – »Ja. Ich bin verheiratet.« Er zögert und guckt mir auf die Hände: »Und wo ist der Ring?« – »Wir tragen die Ringe links. Auf der Seite des Herzens«, ich versuche, das Wort Herz etwas mehr zu betonen. Irrsinnigerweise glaube ich tatsächlich, dass bei ihm vielleicht eine Glocke klingelt. »Ich sag Ihnen eines«, er beugt sich mir bedrohlich entgegen. »Dass Sie mir nicht Ihren Mann vernachlässigen in der ganzen Zeit.« Wie konnte ich nur Herz erwarten. Der Mann ist ein Monster. Ich bin sprachlos und muss mich kurz sortieren, um zu verstehen, was ich da gerade gehört habe. »Sie ... meinen ... was unser ... also Intimität ...« – »Sie sollen sich kümmern. Sonst ist der nämlich auch bald weg.« – »Ich finde, jetzt reicht es. Wir haben ein wirklich gutes Sexual ...« Er wird noch lauter: »Sie sind ja zurzeit wegen Ihrer Eizellen-Sache auch bis unter die Schädeldecke vollgepumpt mit Hormonen. Kein Wunder, dass es gerade läuft.«
    Ich stehe auf. Endlich. Etwa 17 gewechselte Sätze zu spät. Aber immerhin gehe ich, bevor hier im Raum irgendwo meine Würde kleben bleibt. Er bewegt sich mit mir zur Tür: »Ich sehe schon: Wir kommen da nicht zusammen. Das funktioniert nicht.« – »Da haben Sie etwas sehr Richtiges gesagt.« Ich spare mir das ausnahmsweise. »Warten Sie draußen, ich schreibe noch meine Empfehlung für Ihre Therapie ... ach ... und ich berechne Ihnen das hier heute nicht.« Halleluja. Ein Gott in weiß, oder? Tss. Fast schon schade, dass ich keine Rechnung von ihm bekomme. Zu gerne hätte ich sein Honorar mit den Preisen verglichen, die man sonst so für Vergnügungseinheiten in Sadomaso’s Paradise zahlt. Bäh. Was – für – ein – Ungeheuer.
    Im Flur auf den Wartestühlen, die ich übrigens urplötzlich ziemlich hässlich finde, lasse ich noch einmal Revue passieren, was mir da gerade passiert ist. Ich kann nicht anders, als immer noch fassungslos und verstört den Kopf zu schütteln. Immer und immer wieder. Das ist eigentlich ein Fall für die Klinikleitung und die Ärztekammer. Meine erste Dienstaufsichtsbeschwerde. Steht das auch in dem Buch der 1000 Dinge, die man in seinem

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