Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
French 75: Ein Rostock-Krimi

French 75: Ein Rostock-Krimi

Titel: French 75: Ein Rostock-Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard R. Roesch
Vom Netzwerk:
bildeten und sich Blicke zuwarfen.
    Er zog seine Waffe, entsicherte sie und hielt sie seinem Gegenüber zwischen die Augen. Ruhig sagte er: »Lass es mich so ausdrücken. Wer mich so etwas fragt, der beleidigt mich aufs Blut. Und wer mich aufs Blut beleidigt, der muss mit Blut bezahlen.« Er trat einen Schritt zurück, hielt den Arm jetzt ausgestreckt und warf einen Blick in die Runde.
    »Wo sind die verdammten Beweise, ihr Vollidioten?«, schrie er sie an und drückte die Mündung weiter fest gegen die Stirn des Mannes: »Was ist mit euch los? Ich kann diesen Mann hier vor euren Augen erschießen, ohne dass mir etwas passiert. Denn das ist Notwehr. Aber ihr kommt dann alle vor Gericht, weil ihr mich in eine Notwehrsituation gebracht habt. Wollt ihr in Untersuchungshaft? Ich war wegen einer falschen Anschuldigung da, ich weiß, wovon ich rede, aber ihr wisst es noch nicht.«
    Seine Nachbarn sahen sich an. Keiner erwiderte etwas.
    Pawel legte nach: »Ihr werdet jetzt hier verschwinden und eure peinlichen Autos mitnehmen. Dann werde ich diesen Mann hier gehen lassen. Seid ihr in zwei Minuten nicht verschwunden, drücke ich ab und ihr landet in der Haftzelle. Und einer von euch wird sich so eine Zelle mit mir teilen! – Lasst meine Frau und meine Kinder in Ruhe! Ich warne euch! Ich werde meine Familie schützen, vor jedem, der ihr zu nahe kommt. Das ist mein verdammtes Bürgerrecht. Das ist meine verdammte Pflicht, ihr Arschgeigen! – Haut jetzt ab, ihr bekloppten Spinner! Man reizt einen Bären nur, wenn man ihn auch töten will. – Weg jetzt!«

XX
     
    Im Gegensatz zu dem, was ihm nun bevorstand, war die Vertreibung seiner Nachbarn vermutlich ein Kinderspiel, fürchtete Pawel. Er zögerte, die Haustür zu öffnen, als seine Frau es für ihn tat und sagte: »Komm rein.«
    Wie sprang man über seinen Schatten? Pawel fiel schon dieser kleine Schritt über die Schwelle seines Hauses unsagbar schwer. Er konnte sie nicht ansehen. Pawel zog sich die Jacke aus, schnallte sich das Halfter ab und verstaute es mitsamt der Pistole in der Kommode.
    »Du siehst furchtbar aus«, sagte sie.
    Er nickte und blieb im Flur stehen.
    »Deine Haare sind ganz und gar …«, sagte sie und hielt inne, als sie merkte, dass er seinen Kopf ihrer Hand entzog.
    »Es tut mir so leid«, sagte sie.
    Er spürte zwar, wie sie darauf brannte, mit Worten alles auszumerzen, was zwischen sie gekommen war, aber er wusste, so leicht würde es nicht werden. Das elende Gefühl stieg wieder in ihm hoch. Dieses Dumpfe, Lähmende, das sich immer weiter ausbreitete. Dieser Verlust der Stimme. Oder der Sprache?
    »Willst du denn gar nichts sagen?«, fragte sie.
    Er schüttelte den Kopf, drängte sich an ihr vorbei, ging zur Küche und öffnete den Kühlschrank. Sie hatte das ganze untere Fach leer geräumt und mit einem halben Dutzend Bierflaschen bestückt. Ihm stiegen Tränen in die Augen. Seine Ehefrau hasste es, mehr als zwei Flaschen Bier im Kühlschrank zu haben. Es erinnerte sie an ihren Säufervater, und nun lagen hier schon seit Tagen diese vielen Flaschen. Pawel kniff die Augen zusammen, starrte weiter ins grelle Kalt und strich mit dem Finger über die Flaschenhälse. Waren es die kleinen Gesten, die Großes bewirkten?
    Stralsunder sollte man nur kalt trinken, dieses edelste der deutschen Biere musste man temperiert servieren, als wäre es ein französischer Weißwein. Er hatte es ihr früher oft gesagt, wenn er nach sechs oder sieben Monaten Fahrenszeit nach Hause gekommen war und kein Bier im Kühlschrank vorgefunden hatte. Immer hatte sie behauptet, sie hätte es nur vergessen. Pawel entschied sich für die mittlere Flasche der oberen Lage. Behutsam nahm er sie heraus, drehte sie langsam senkrecht und stellte sie vorsichtig auf den Rand der Spüle. Der Öffner lag wie immer bei den kleinen Löffeln, und während er die Flasche sorgfältig aufhebelte und sich bemühte, in den Kronkorken keinen Knick zu machen, setzte sie sich an den Küchentisch und wischte über die abwaschbare Decke. Er hörte das Geräusch, konnte sich aber nicht umdrehen. Pawel nahm sich ein kleines Glas aus dem Hängeschrank und füllte es nach und nach mit der gelben Flüssigkeit, bis vom Schaum nur noch ein schmaler Streifen Weiß übrig geblieben war.
    Er setzte das Glas an und trank es zur Hälfte aus. Dann schenkte er sich den Rest der Flasche ein und setzte sich zu seiner Ehefrau an den Küchentisch. Die Sonne versuchte, durch den Gardinenstoff zu kommen, hatte aber

Weitere Kostenlose Bücher