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French 75: Ein Rostock-Krimi

French 75: Ein Rostock-Krimi

Titel: French 75: Ein Rostock-Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard R. Roesch
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keine Chance; genauso wenig wie er selbst, hinauszugelangen.
    »Man kann über alles reden«, hoffte sie.
    »Wenn man es kann, dann sollte man das tun«, sagte er, während er den Biergeist spürte, der ihm ins Hirn drang, angenehm unaufdringlich.
    »Können wir es versuchen?«, fragte sie.
    »Wir müssen es«, sagte er. »Aber nun sage nicht, wegen der Kinder. Die Kinder haben damit gar nichts zu tun.«
    »Darf ich dich etwas fragen?«
    »Ja.«
    »Warum bist du vor Wochen aus dem Haus gestürzt, ohne ein Wort zu sagen, nachdem ich dir gebeichtet habe?«
    »Weil deine Beichte einen Schock in mir ausgelöst hat. Mir war, als wäre ich mit dem Kopf gegen einen Pfeiler gerammt, mit hundert Stundenkilometern.«
    »Ja, aber du hast nicht einmal aufgebrüllt. Tut man das nicht, wenn man mit dem Kopf am Pfeiler landet?«
    »Du bist es hier nicht, die Vorwürfe zu machen hat.«
    »Stimmt.«
    »Du kommst mit Vorwürfen, dabei wäre das Einzige, was dich vielleicht retten könnte, dich zu entschuldigen.«
    »Verzeih mir.«
    »Nein.«
    »Nein?«
    »Ich kann dir nicht verzeihen. Ich kann dich verstehen, aber verzeihen werde ich dir niemals.«
    »Wie meinst du das?«
    »Ich war in den letzten zehn Jahren immer sechs Monate auf See, ich verstehe, wenn eine Frau das nicht aushält, obwohl sie Treue geschworen hat. Wegen dir habe ich die Seefahrt an den Nagel gehängt, nur um zu erfahren, dass du seit Jahren einen Lover hast. Wie soll ich das verzeihen? Verstehen ja, verzeihen nein.«
    »Pawel.«
    Er trank einen Schluck, um die Tränen, die emporschossen, niederzudrücken. Es gelang ihm nur mäßig. Pawel stand auf und ging zur Spüle. Er stellte sich mit dem Rücken zu ihr und hielt sich am Rand fest. Als er ihre Hand auf seinen Schulterblättern spürte, schüttelte er mechanisch den Kopf. Die Tränen aber hielt das nicht auf. Sie tropften ins linke Spülbecken, wurden zu einem Rinnsal und verschwanden schließlich im Abfluss.
    »Weißt du, das ist das Schlimmste, was einem Hochseefischer passieren kann«, sagte er. »Das Einzige, was einen in der rauen See überleben lässt, das ist die Gewissheit, zu Hause eine Frau zu haben, die einem treu ist.«
    »Es tut mir so leid.«
    »Weißt du, zwölf Stunden lang Fisch zu filetieren oder acht Stunden an Oberdeck bei Windstärke neun die Netze zu bergen, das hält man nur aus, wenn man weiß, dass es zu Hause eine Frau gibt, die einen liebt. Die man liebt. – Die See will einen in jeder Sekunde töten, die Gewissheit, für eine Frau da zu sein, lässt einen dagegenhalten. Ich habe Kollegen gehabt, die haben sich nicht mehr gewehrt, als sie vom Ehebruch ihrer Frauen erfahren haben. Die haben sich von der See schnappen lassen. Und mir wäre es auch so ergangen, wenn ich noch auf einem verdammten Trawler gewesen wäre. – Ich bin an Land gekommen, ich bin Privatdetektiv geworden, weil du es wolltest. Du wolltest mit unseren zwei kleinen Kindern ein echtes Familienleben. – Ich bin gekommen, und du hast nichts Besseres zu tun, als mich zu zerstören. Du hast mich aufs Land geworfen, und ich ersticke hier wie ein Rotbarsch. – So sieht es aus.«
    Er hörte sie schluchzen, sie hatte sich wieder an den Tisch gesetzt. Pawel öffnete erneut den Kühlschrank, nahm sich zwei Flaschen Bier und ging zur Küchentür.
    »Bitte, geh jetzt nicht, noch nicht«, sagte sie.
    »Ich schlafe im Wohnzimmer auf der Couch. Morgen nehme ich meine beiden Kinder und mache mir mit ihnen einen schönen Tag zu dritt«, sagte er in Richtung der Tür. »Du weißt, wen du geheiratet hast. Einen Mann vom alten Schrot und Korn.«
    »Pawel. Ich weiß nichts zu sagen.«
    »Ich auch nicht«, sagte er und ging ins Wohnzimmer. Er öffnete die Verandatür, schloss die Wohnzimmertür, schaltete den Fernseher ein und stellte ihn auf lautlos. Die beiden Bierflaschen stellte er auf den Glastisch, öffnete sie aber nicht. Kalte Luft strömte herein. Sie erfüllte den ganzen Raum. Pawel ging auf die Veranda und setzte sich in den Schaukelstuhl, den der Großvater seiner Frau vor knapp hundert Jahren gezimmert hatte. Über sich hörte Pawel, wie Susanne das Fenster des Schlafzimmers schloss. Es dämmerte. Irgendwann war das Grau zu einem Schwarz geworden, das vom bläulichen Flackern des Fernsehers gezickzackt wurde, Pawel schrak auf.
    Wie sollte das alles jetzt nur weitergehen? Er hatte auf diese Frage keine Antwort. Sie machte ihn jedoch so unruhig, dass er aufstand, ins Wohnzimmer ging, die Verandatür schloss und sich auf

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