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French 75: Ein Rostock-Krimi

French 75: Ein Rostock-Krimi

Titel: French 75: Ein Rostock-Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard R. Roesch
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Polizei aus dem Kindergarten geholt worden. Die Kindergärtnerin wurde befragt, ob die Zwillinge irgendwie auffällig geworden sind. Ob sie verängstigt gewirkt haben. Pawel, meine Kinder wurden von einem Arzt untersucht, ob sie sexuell missbraucht worden sind! Sag mir bitte, was geht hier vor?«
    Beim zweiten Zug verschluckte der Privatdetektiv sich und spuckte eine Bierlache auf den Holzboden des Cafés: »Was? Die Bullen haben was?«
    »Pawel, weißt du, was sie jetzt im Viertel herumerzählen? Ich habe schon sämtliche Gardinen zugezogen!«
    »Ich bin in zwanzig Minuten da!«
    »Sei aber vorsichtig. Hier gibt’s eine Nachbarschaftswache, die andauernd mit Farbbeuteln auf unser Haus wirft.«
    »Was?«
    »Pawel, was sollen wir bloß tun?«
    »Ich bin in zehn Minuten da! – Mach solange nichts!«
    Der Detektiv stürmte aus dem Café und hörte den verliebten Jungen nicht, der das Bier bezahlt haben wollte. Jetzt war es endgültig persönlich geworden! Die Bullen waren dabei, sein Privatleben zu zerstören. Wegen des Meistermörders! Nein, jetzt fror bald die Hölle zu!
    Man konnte ja vieles mit ihm machen, aber eines war schon auf den Fischtrawlern heilig gewesen: das Privatleben. Niemand kümmerte sich dort um den persönlichen Mist des anderen, nur so war ein Überleben auf einem Trawler möglich. Sieben Monate zusammengepfercht, das funktionierte nur, wenn man dem Kollegen seine Freiheit ließ! Und diese Freiheit bestand auf einem Fischtrawler hauptsächlich aus dem Erinnern. Pawel winkte ein Taxi heran, das gegenüber der Deutschen-Bank-Filiale abrupt zum Halten kam.
    Wie hieß das heilige Motto aller Hochseefischer doch? Pawel fluchte es mehr, als dass er es vor sich hin sagte: »Privat heißt privat, weil es privat ist!« Das hatte bisher noch jeder Mann verstanden, und auch dieser verdammte Meistermörder sollte es eines Tages verstehen. Dafür wollte Pawel schon sorgen.
    Er stieg ins Taxi und sagte: »Wenn Sie die Höchstgeschwindigkeit überschreiten, geben ich Ihnen einhundert Euro extra.«
    Der Fahrer nickte und sah sich kurz um. Dann startete er den Wagen, drückte das Gaspedal voll durch und legte ein Schild auf das Armaturenbrett: Arzt im Einsatz.

XIX
     
    Hinter einer der Plattenbausiedlungen, die heute zu zwei Dritteln leer standen, breitete sich eine Brache aus, die früher einmal bewirtschaftet worden war. Dahinter versteckte sich, jenseits eines schmalen Baumgürtels in einer Senke, eines der ältesten Dörfer dieser Region: Toitenwinkel, toter Winkel.
    Heute kannte man diese Gemeinde hauptsächlich wegen des Heizkraftwerks, dessen riesiger Schlund zu einem der unschönen Wahrzeichen Rostocks geworden war. Vor Jahrzehnten war die Hansestadt ein Tor zur Welt gewesen, doch heute fuhren die Frachter lieber nach Stettin, wenn sie nicht nach Hamburg wollten. Stettin war nur eine Stunde von Berlin entfernt, die Güter konnten auf kleinere Schiffe verfrachtet und auf der Oder nach Süden transportiert werden. So hatte Mecklenburgs Großstadt im Gewirr der Ausweitung der Europäischen Union den Anschluss verloren. Auch der hiesige Fußballverein, der seit Jahren zwischen der zweiten und dritten Liga pendelte, hatte Imageprobleme. Randalierer zogen mit dem Verein durch das Land und hinterließen regelmäßig Chaos und Schrecken. Gerne nannten sie sich die Wikinger, aber sie waren keine Wikinger, weil sie nicht aus der Not heraus aufgebrochen waren, meinte er. Pawel Höchst sah die Fußballfans die Breite Straße blockieren, als er aus dem Fenster des Taxis starrte, das die Lange Straße entlangheizte, um nach Rostock-Toitenwinkel zu kommen. Hundert Euro waren für einen Taxifahrer viel Geld.
    »Nicht viel los?«, fragte Pawel, der sich ablenken wollte.
    »Monatsende, da ist immer mau.«
    »Wieso?«
    »Weil die ganzen Arbeitslosen am Monatsende keine Kohle mehr haben.«
    »Arbeitslose fahren hier Taxi?«
    »Nein, das nicht. Sie lassen sich nur, wenn sie nachts durchsaufen, von uns mit Alkohol versorgen.«
    »Wie das?«
    »Sie geben mir einen Fünfziger in die Hand und sagen, ich soll zur Tankstelle fahren, dies und das holen. Also tue ich das und bringe ihnen das Bier und den Schnaps.«
    »So faul? Wieso an der teuren Tankstelle, ach so, verstehe, weil nachts ja nichts anderes aufhat.«
    »Sie haben es erfasst. Ein Scheißjob, für diese Säufer den Trottel zu machen, die nicht einmal für einen Tag vorsorgen können.«
    »Glaub’ ich gern. Ich bin mal zur See gefahren, ich weiß, wie scheiße Säufer

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