French 75: Ein Rostock-Krimi
sein können, wenn man ihnen Geld in die Hand gibt.«
»Meine Meinung, die haben zu viel. Wer säuft, aber nicht arbeitet, der muss ja ein reicher Mann sein. Unsereins spart sich jeden Cent zusammen, und die zahlen nicht einmal in die Rentenkasse ein.«
Pawel nickte und sah wieder aus dem Fenster. Ablenkung gut und schön, aber nicht das ewige Jammern. Sicherlich, Rostock war wie so viele Städte bis über beide Ohren verschuldet, weil der Stadtrat einen Kredit nach dem anderen aufgenommen hatte, und jetzt musste an allen Ecken und Ende gespart werden. Aber niemand war gezwungen, hier zu leben! Konnte man nicht weggehen? Für einen Privatdetektiv gab es hier jedenfalls genug Arbeit. Vielleicht könnte die Bezahlung besser sein, aber könnte sie das nicht immer? Für Pawel Höchst war Rostock jedenfalls der prächtigste Ort der Welt, Hort einer einzigartig blühenden Landschaft. Diese vielen kleinen Verbrecherseelen, die hier im Windschatten der Weite der Ostsee gediehen, sie sicherten dem Privatdetektiv ein gutes Auskommen. Solange sich keine Mafiabanden in der Stadt breitmachten, musste er nichts befürchten. Doch da würde die Rostocker Unterwelt schon zusammenhalten, wusste Pawel, sollten Asiaten, Osteuropäer oder sonst wer hier eindringen wollen. Rostock war zwar eine offene und freundliche Stadt, aber jede Stadt, die so war, musste gute Verteidigungsmaßnahmen haben, die man oft gar nicht sah. Pawel fühlte sich hier sicher. Vielleicht gerade wegen der Verbrecher? Er musste über diesen Gedanken lachen, doch als guter Detektiv wusste er ja, es gab nichts, was es nicht gab. Und eine seiner wichtigsten Lebensweisheiten lautete ohnehin: Nicht gierig werden! Er sah die unsanierten Plattenbauten, ein wenig später die Brache, dann bremste der Taxifahrer, fuhr durch den uralten Dorfkern und bog in die neue Eigenheimsieldung ein, die zum größten Teil noch den Banken gehörte. Auch sein Haus war noch lange nicht abbezahlt. Es stand in der Mitte einer Einbahnstraße, die am Ende eine Wendeschleife hatte.
Sein Haus wurde von einem halben Dutzend Autoscheinwerfern angestrahlt, obwohl es Mittagszeit war. Die Nachbarn standen hinter ihren Autos und rauchten.
»Ich lasse Sie gleich hier raus, wenn es recht ist«, sagte der Taxifahrer. »Soll ich über Funk die Bullen rufen, wenn ich weg bin?«
»Nicht nötig, die verdammten Drecksbullen haben mir den Müll da eingebrockt. Von denen habe ich erst mal die Schnauze voll.«
»Verstehe. Macht zwanzig Euro achtzig.«
»Hier sind zwanzig. Und hier ist der Hunderter!«
»Alles klar, Chef. – Hui, hui, hui, nicht in meinem Wagen«, sagte der Fahrer, als er sah, wie Pawel seine Waffe zog und durchlud.
»Keine Sorge, ist gesichert«, sagte der Detektiv, steckte die Pistole wieder in sein Halfter, stieß die Tür auf und stieg aus.
Der Fahrer legte den Rückwärtsgang ein, und Pawel stand dem Mob allein gegenüber. Die Männer kamen langsam zwischen den Autos hervor und bauten sich in einer Reihe auf. In seinem Haus waren wirklich sämtliche Gardinen zugezogen worden. Die Vorderseite war mit bunten Farbflecken übersäht. Sonnenstrahlen durchbrachen in diesem Moment die Wolkendecke. Pawel spuckte aus und ging einen Schritt auf seine Nachbarn zu, von denen er eher wenig wusste.
»Na, Männer«, sagte er, »was soll das werden? Einer Frau und ihren Kindern Angst machen, ist das eure Vorstellung von korrekter Freizeitgestaltung?«
»Unsere Vorstellung von Freizeitgestaltung ist es, einem verdammt perversen Pädophilen seine Birne weich zu klopfen.«
»Weichzutreten«, sagte ein anderer Mann.
»Verstehe«, sagte Pawel. Er ging auf den Wortführer zu, baute sich vor ihm auf und sagte, ohne ihm in die Augen zu sehen: »Dann ist das da aber ganz bestimmt die falsche Adresse.«
»Das sehen die Bullen aber nicht so.«
»Die Bullen glauben auch, sie wüssten, wer Kennedy ermordet hat. Wissen sie aber nicht.« Jetzt hob Pawel den Blick und starrte dem Kontrahenten in die Augen. Der verzog die Brauen und wich dem Blick aus.
»Die Bullen dachten auch lange, Jack Unterweger wäre unschuldig«, fuhr Pawel fort. »War er aber nicht.«
Sein Gegenüber hatte sich gefangen, er spuckte Pawel auf die Lederschuhe und sagte: »Ich frage dich jetzt mal was, alter Seemann. Ich frage dich mal ganz direkt: Hast du mit deinen Söhnen was angestellt oder nicht? Müssen wir um unsere Kinder Angst haben oder nicht?«
Pawel lachte auf, bemerkte, wie die anderen Männer um ihn einen Kreis
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