French 75: Ein Rostock-Krimi
ansehen.«
»Halten Sie mich auf dem Laufenden?«
»Wenn an der Sache was dran ist, dann erfahren Sie es als Erster und können damit die Grundlage für Ihren Wechsel zur Kriminalpolizei legen. Darum informieren Sie mich doch eigentlich, oder?«
»Stimmt. Jetzt will ich Sie benutzen. Schlimm?«
»Ok, kein Problem. Ich sage Ihnen Bescheid.«
»Versprochen?«
»Versprochen!«
»Danke! So habe ich es mir vorgestellt. Ich rufe auch von meinem Privatanschluss aus an, nur zur Information. Keine Sorge, das ist keine Einladung zu einem Drink. Ich will nur kein Protokoll schreiben.«
Pawel Höchst lächelte, allmählich wurde ihm dieser Junge ganz sympathisch, stellte er fest. Er räusperte sich: »Alles klar, ich verstehe. – Die Adresse bitte.«
»Ja. – Es handelt sich um Affekt – Ihre Meinung ist unser Auftrag. Die sitzen in Rostock-Lütten Klein, Warnowallee, und in der Grubenstraße Ecke Am Strande.«
»Alles klar. Ich melde mich! – Wann fängt das Praktikum hier in Rostock an?«
»Morgen schon. Für etwa eine Woche.«
»Okay, bis morgen. Und: danke!«
»Nichts zu danken, wenn ich mich auch bedanken kann. – So, nun will ich aber noch ein wenig Schwulensex machen. Na, rot geworden?«
»Nicht die Bohne«, log Pawel, ehe er auflegte.
Das Pauken zog erneut am Industriehafen vorbei. Er hatte es doch gewusst! Er hatte von Anfang an richtig gelegen! Er hatte die Stimme des Meistermörders dank Tina Schneider tatsächlich auf Band! Jetzt wusste er, wo er suchen musste. Und er würde finden, was nur er sehen konnte. Pawel war klar, dass er der Polizei alles sagen müsste, und glaubte, wenn in seinen Adern deutsches Blut flösse, dann hätte er den Mitschnitt natürlich schon längst der Polizei übergeben. Aber sein Blut war nun mal nordrussisch. Ein erlegter Bär war besser als die Spur eines verwundeten Bären, hieß es auf der Colahalbinsel.
Er wollte den Polizeibeamten auch nicht sagen, dass sie prüfen sollten, ob alle Opfer vor ihrem Tod mit diesem Callcenter telefoniert hatten, denn wenn er das tat, dann würden die vielen Beamten seine Spur garantiert zertrampeln.
Jawohl, es war seine Spur! Wegen dieses Meistermörders war er zweimal in Untersuchungshaft gewesen, Pawel hielt sich für keinen Typ, den man ungestraft demütigte. Sicherlich, ihn hatten schon Kapitäne und Offiziere gemaßregelt, glücklich waren sie aber nie geworden. Am Ende lachte immer der kleine Mann über den großen, fand er, wobei es natürlich gar keine großen Männer gab. Es gab einfach nur Männer. Pawel holte die Pistole aus dem Tresor, lud und sicherte sie, ehe er sie ins Halfter steckte.
Außerdem war es seine Belohnung! Er wollte diese eine Million Euro mit dem Kind von Tina Schneider teilen. Und als er das dachte, da kam er sich plötzlich heroisch vor. Edel. Er tat es ja gar nicht aus Rache, denn Rache war nun mal Zeitverschwendung. Pawel Höchst wollte den Serienkiller zur Strecke bringen, um dem Kind von Tina Schneider aus Rostock-Lichtenhagen eine neue Mutter kaufen zu können, falls sich keine fand. Er verschloss die Bürotür und ging die Treppe hinunter.
Unglaublich, der Mörder konnte tatsächlich mit dem Fahrrad zu Tina Schneider gefahren sein! Pawel schüttelte den Kopf, als er in seinen alten Peugeot stieg und den Motor startete. Europas meistgesuchter Verbrecher versteckte sich in der kaputten Stadt Rostock! Oh, Rostock, deine Helden! Er bog in die Straße nach Lütten Klein ein und gab Gas.
Aber was wollte er in dieser Filiale des Meinungsforschungsinstituts eigentlich genau? Das fragte er sich, als er schon in dem grell erleuchteten Saal stand und auf etwa sechzig Hinterköpfe starrte, die alle von den Seitenwänden ihrer Arbeitsplätze eingerahmt waren. Der Raum war von einem grässlichen Rauschen erfüllt, das von den vielen plappernden Stimmen kam. Pawel blieb an der Eingangstür stehen und war ehrlich beeindruckt: die perfekte Tarnung! Wenn man wollte, kam man hier an alles!
An Adressen, an Vorlieben, an Kontoverbindungen! Wo sollte er anfangen? Die Polizei war hier auch nicht weitergekommen. Was wollte er hier eigentlich? Pawel musterte Hinterkopf um Hinterkopf. Er ließ sich Zeit dabei und dachte: Egal, wer du bist, ich kriege dich!
Frustriert verließ er diesen eigenartigen Ort wieder, diesen Ort der modernen Versklavung, und ging zu seinem Auto. Das BKA war bestimmt gerade dabei, sämtliche Personalunterlagen der Anrufer zu prüfen, das konnte er sich also sparen.
»Das ist zum
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