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French 75: Ein Rostock-Krimi

French 75: Ein Rostock-Krimi

Titel: French 75: Ein Rostock-Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard R. Roesch
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bevor der Anrufer irgendetwas sagen konnte.
    »Zehn vor neun Uhr morgens, warum?«
    »Ich kenne Ihre Stimme!«
    »Ich bin der Polizist aus Berlin-Pankow, Polizeianwärter Kevin Hilbig.«
    »Ich erinnere mich, hören Sie, es tut mir schrecklich leid! Ich benutze Menschen wirklich nur, wenn es nicht anders geht.«
    »Deswegen rufe ich nicht an. Es ist dienstlich.«
    »Oh.«
    »Ja, wir stehen wegen dem Meistermörder alle unter Strom, ich hoffe, ich störe Sie nicht. Sie sagten mir aber, Sie hätten Probleme mit Ihrer Ehefrau, da dachte ich, ich könnte Ostermontag ruhig anrufen.«
    »Ostermontag? Heute?«
    »Ja.«
    »Egal, was gibt es denn so Dienstliches?«
    »Uns ist ein Anruf bei Britta Lind aufgefallen, etwa vier Tage vor der Tat. Die Nummer war unterdrückt, das Gespräch dauerte fast vierzig Minuten. Wir haben es zurückverfolgt, und wir haben herausgefunden, dass der Anruf aus Ihrer Stadt kam! Rostocks Kripo ist schon informiert, aber Ihre Ermittlungen haben ja in mir einen Fan gefunden. Vielleicht schalten Sie quer und kommen zu neuen Ergebnissen als wir Beamte? – Jedenfalls kann ich als Polizeianwärter für ein Praktikum überallhin versetzt werden. Auf eigenen Wunsch bin ich nun für ein paar Tage bei der Rostocker Polizei. Inoffiziell möchte ich mit Ihnen zusammenarbeiten, weil ich glaube, das sich das für mich lohnen könnte.«
    »Leute schickt das Arbeitsamt.«
    »Was?«
    »Ach, nur so ein Spruch unter Hochseefischern. – Sie sagen, eine Rostocker Nummer? Ein langes Gespräch? Vierzig Minuten ist in der heutigen Zeit für ein Telefonat lang, oder?«
    »Ja. Das meine ich auch. Das meinen wir alle. Deswegen ist es uns ja aufgefallen.«
    »Ich kombiniere mal: Der Anruf stammt aus einem Callcenter oder einer Filiale eines Callcenters.«
    »Meine Bewunderung wächst! Das stimmt!«
    »Konnten Sie auch herausfinden, um welches Callcenter es sich konkret handelt? Wir haben hier in Rostock leider knapp zwanzig. Billiglohnsektor, die Rostocker tun, was sich bietet, obwohl Mecklenburger zum Plappern gar nicht geboren sind.«
    »Es handelt sich um ein Marktforschungsinstitut, das eine Filiale in Rostock unterhält. Leider gibt es da gut achtzig Mitarbeiter. Es kann nicht festgestellt werden, wer den Anruf getätigt hat.«
    »Warum nicht? Haben die keine Abrechnungscodes oder so etwas?«
    »Die bekommen da Stundenlohn, die werden nicht pro Anruf bezahlt. Aber es gibt tatsächlich ein Codesystem. Zur Qualitätssicherung.«
    »Zum Abhören, meinen Sie! KGB-Methoden.«
    »Wie auch immer.«
    »Und wozu brauchen Sie mich? – Weil der Code falsch ist! Er gehört einer siebzigjährigen Rentnerin mit Beinprothese.«
    »Fast. – Sie sind wirklich gut. Ich denke, ich könnte viel von Ihnen und Ihrer Pragmatik lernen, ich möchte ja später zur Kripo oder zum BKA. Karriere machen, deswegen rufe ich Sie ja an. – Es ist eine Armprothese.«
    »Moment mal, junger Freund«, sagte Pawel, stand auf und schloss das geklappte Fenster, weil draußen auf der Warnow, die hinter der Papierfabrik entlangfloss, wieder Ruderer trainierten. Ein überlautes, rhythmisches Pauken ging von dem Boot aus, das weit über das Wasser hallte. Pawel drückte den Fenstergriff nach unten, aber viel Lärm dämpften die Scheiben nicht. Er drückte den Griff noch ein paar Millimeter weiter nach links, eher aus Ärger als aus Überzeugung.
    »Was wollen Sie nun von mir?«, fragte Pawel, als er wieder saß: »So weit reicht meine Fantasie nämlich nicht.«
    »Unsere Rostocker Kollegen haben die Spur nicht weiter verfolgt. Ein Callcenter-Anruf, unangenehm, aber nicht strafbar. An dem Tag waren alle Interviews etwa vierzig Minuten lang. Und die Nummern werden vom Computer generiert, die Mitarbeiter können niemanden gezielt anrufen. Aber ich weiß nicht, ich habe so eine Ahnung, dass das wichtig sein könnte. Stellen Sie sich vor, ich wache heute Morgen auf und denke, Mensch, das könnte wichtig sein!«
    »Verstehe, weibliche Intuition.«
    »Bitte keine Schwulenwitze.«
    »Entschuldigung, ich fand es nur lustig.«
    »Stimmt, es ist lustig. Ein wenig jedenfalls. – Aber, was meinen Sie, ist das eine Spur oder nicht?«
    Am liebsten wäre Pawel aufgesprungen und hätte gebrüllt, denn das war natürlich eine Spur, das war eine sehr Erfolg versprechende Spur, aber der ehemalige Fischer hielt sich zurück und sagte: »Geben Sie mir einfach die Adresse. Ich kümmere mich darum. Ich verspreche natürlich nichts, aber ich will mir das mal näher

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