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French 75: Ein Rostock-Krimi

French 75: Ein Rostock-Krimi

Titel: French 75: Ein Rostock-Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard R. Roesch
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Kotzen!«, sagte er und schrak zusammen, als die Backwarenverkäuferin antwortete: »Wem sagen Sie das! Wer Ostermontag arbeiten muss, der muss doch was verbrochen haben. – Was soll es denn für Sie Leckeres sein?«
    Verwirrt zeigte Pawel Höchst auf ein Käsebrötchen und verließ die Bäckereifiliale wieder. Sie befand sich direkt neben dem Eingang zum Meinungsforschungsinstitut. Kopfschüttelnd sah er sich noch einmal um, ehe er wieder in seinen alten Peugeot stieg und das Brötchen zu den leeren Pizzaschachteln warf, die sich auf dem Beifahrersitz stapelten.
    Es war wirklich die perfekte Tarnung! Nicht einmal eine Abwesenheit fiel auf! Schließlich arbeiteten die Leute in der Callcenter-Branche fast ausschließlich Teilzeit. Viele von ihnen kamen nur ein- oder zweimal die Woche. Wie sollte er da nur die richtige Nadel im Heuhaufen finden? Pawel legte den ersten Gang ein und fuhr erst einmal nach Warnemünde, um sich einen Disput mit dem Ostseewind zu liefern, den er für sehr schlau hielt. Seit seiner Fahrenszeit waren sie Freunde, und oft hatte der Meereswind ihm schon Sachen gesteckt, die sich als wahr erwiesen hatten. Jetzt brauchte er einen alten Freund. Es ging ums Ganze.
    Am frühen Abend raste Pawel zurück nach Rostock, nervös und erwartungsvoll, und parkte unten an der Likörfabrik. Er nahm den Anstieg zum Neuen Markt. Gegenüber dem Rathaus, auf dessen Balkon die Fußballer von Hansa Rostock schon lange keinen Aufstieg mehr gefeiert hatten, befand sich die Einkaufsmeile der Stadt. Die Kröpeliner Straße zog Vorpommern und Mecklenburger aus dem ganzen Land an, die hier fleißig konsumierten. Dieser Konsum war eine der wenigen Einnahmequellen der alten Handels- und Hansestadt. Rostock war der Einkaufstempel eines ganzen Bundeslandes, und gerade war Ostermarkt. Massen von Menschen wälzten sich durch die breite Straße, die nach dem letzten Krieg teilweise originalgetreu wieder aufgebaut worden war. Kleinkriminelle mischten sich hier unter die Besucher. Sie stahlen, raubten und schlugen verdutzte Passanten auch schon mal nieder. Die hiesige Zeitung brachte darüber eine Statistik, die täglich aktualisiert wurde.
    Pawel ging am Geschäft Brille Krille vorbei, zog im Vorraum einer Bankfiliale ein paar Euroscheine und blieb wenig später vor einem schmalen Eingang stehen. Links und rechts lockten die breiten Schaufenster eines Mobilfunkanbieters und eines Edelgeschirrverkäufers. Über der Tür dazwischen stand schlicht: Antiquariat. Pawel holte die Kopie einer Mail aus der Jackentasche und stieg die Stufen hinunter in den Keller.
    Er betrat ein riesiges Gewölbe, das mit Buchregalen vollgestellt war, deren Bretter sich unter ihrer Last bogen. Die Bücher stapelten sich sogar auf dem Boden, und Pawel hatte sich schon halb umgedreht, um diesen Keller schnell wieder zu verlassen, als er die dünne Stimme eines Männchens hörte: »Guten Tag, was kann ich für Sie tun?«
    Misstrauisch ging der Privatdetektiv zu dem älteren Mann, der hinter einem niedrigen Tisch saß und ein Buch mit altdeutscher Schrift las. Eine altmodische Leselampe war nicht eingeschaltet, obwohl hier nur wenig Licht durch die Oberlichter drang.
    »Sehen Sie denn hier durch?«, fragte Pawel.
    »Ja.«
    »Ich suche ein seltenes Buch.«
    Das Männchen hob ein wenig den Kopf und sah Pawel auf die Brust: »Die sind hier alle selten.«
    »Wirklich? – Können Sie damit etwas anfangen?«, fragte Pawel und reichte dem Mann die Mailkopie.
    »Oh, vom Polizeirevier Berlin-Pankow, ich habe mal in Prenzlauer Berg gewohnt, als es noch mutig war, dort zu wohnen.«
    »Verstehe.«
    »Ich denke schon, dass ich das Buch habe«, sagte der Alte und hievte sich aus dem hölzernen Drehstuhl, dessen Höhe verstellbar war. Pawel kannte solche Stühle aus seiner Leningrader Zeit, als der KGB ihn hatte anwerben wollen. Damals galten diese Stühle vom VEB Möbelbau Ribnitz noch als Weltneuheit, aber dann fiel ja der Eiserne.
    Pawel folgte dem Antiquar, der quer durch das Gewölbe ging und sich eine Leiter an eines der Regale stellte. In altdeutscher Schrift war es mit »Lyrik, Frankreich, 18.–19. Jh.« beschriftet. Er zog ein schäbiges Buch hervor und gab es an Pawel weiter. Der Band war auf billigstem Papier gedruckt, das schon viele Male umgeblättert worden war. Den Einband zierte eine Kohlezeichnung: Unter einem schwarzen Kreuz saß ein Rabe auf einem Bein, das aus einem Grab ragte, und sah nach unten. Neben dem Vogel war ein zweiter, der hochsah, wobei

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