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French, Tana

French, Tana

Titel: French, Tana Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sterbenskalt
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des Lebens zum Besten und hatte einen Heidenspaß.
Ich lehnte mich gegen die Wand und zündete mir eine Zigarette an. Das dämmerige
orangerote Licht, das von nirgendwo Bestimmtes herkam, ließ den Garten
unwirklich aussehen, wie einem Tim-Burton-Film entsprungen. Den Verschlag, in
dem das Klo gewesen war, gab es immer noch, aber ihm fehlten ein paar Bretter,
und er stand bedenklich schief.
    Hinter mir
knallte die Vordertür zu: Die Dalys gingen nach Hause.
    Nach einer
Weile fing Dad an, sich zu langweilen, oder aber er kriegte langsam einen
kalten Hintern. Er hörte mit dem Melodram auf, wischte sich die Nase an seinem
Ärmel ab und verzog das Gesicht, als er sich auf der Stufe etwas bequemer
zurechtsetzte. »Gib mir mal 'ne Kippe.«
    »Bitte,
heißt das.«
    »Ich bin
dein Vater, und ich hab gesagt, gib mir mal ne Kippe.«
    »Meinetwegen«,
sagte ich und hielt ihm eine hin. »Ich stifte immer gern für gute Zwecke. Und
das ist eindeutig einer, wenn du Lungenkrebs kriegst.«
    »Du warst
schon immer ein arroganter kleiner Wichser«, sagte Dad und nahm die Zigarette.
»Ich hätte deine Ma die Treppe runterstoßen sollen, als sie dich im Bauch
hatte.«
    »Hast du
wahrscheinlich auch.«
    »Blödsinn.
Ich hab keinen von euch je angerührt, außer ihr hattet es verdient.«
    Er war zu
zittrig, um die Zigarette anzuzünden. Ich setzte mich neben ihn, nahm das
Feuerzeug und tat es für ihn. Er stank nach Nikotin und schalem Guinness, mit
einer würzigen Kopfnote Gin. Sämtliche Nerven in meinem Rückgrat waren noch
immer aus Angst vor ihm wie gelähmt. Das Stimmengemurmel, das aus dem Fenster
über uns drang, nahm allmählich wieder Fahrt auf, klang aber hier und da noch
beklommen.
    Ich
fragte: »Was ist mit deinem Rücken los?«
    Dad ließ
eine üppige Lunge voll Rauch entströmen. »Geht dich nichts an.«
    »Ich mach
nur Konversation.«
    »Du hast
noch nie Konversation gemacht. Ich bin nicht blöd. Also behandel mich auch
nicht so.«
    »Ich hab
dich nie für blöd gehalten«, sagte ich, und das meinte ich ehrlich. Wenn er ein
bisschen mehr Zeit in Weiterbildung gesteckt hätte und ein bisschen weniger in
Kneipenbesuche, hätte mein Dad was aus sich machen können. Als ich etwa zwölf
war, behandelten wir in der Schule den Zweiten Weltkrieg. Der Lehrer, ein
gehässiger, weltfremder kleiner Idiot von auswärts, hielt uns Kinder aus den
Liberties für zu beschränkt, um etwas so Komplexes zu kapieren, und versuchte
gar nicht erst, uns etwas beizubringen. Mein Dad war an dem Wochenende
zufälligerweise mal nüchtern. Er setzte sich mit mir hin und zeichnete auf dem
Tischtuch in der Küche mit Bleistift Schaubilder und stellte mit Kevins
Bleisoldaten Armeen auf und erklärte mir alles so klar und lebendig, dass ich
noch heute jede Einzelheit deutlich vor mir sehe. Eine der Tragödien meines
Dads bestand immer darin, dass er intelligent genug war, um genau zu
begreifen, wie umfassend er sein Leben in den Sand gesetzt hatte. Strohdumm
wäre er um einiges besser dran gewesen.
    »Was
interessiert dich mein Rücken?«
    »Neugier.
Und falls irgendjemand von mir verlangen sollte, dass ich die Kosten fürs
Pflegeheim mittrage, wäre es schön, im Voraus Bescheid zu wissen.«
    »Ich hab
dich nie um was gebeten. Und ich geh auf keinen Fall ins Pflegeheim. Eher jag
ich mir eine Kugel in den Kopf.«
    »Gute
Idee. Aber warte nicht zu lange damit.«
    »Die
Genugtuung würde ich dir nicht geben.«
    Er nahm
wieder einen kräftigen Zug von der Zigarette und sah den Rauchbändern nach, die
sich aus seinem Mund wanden. Ich fragte: »Worum zum Teufel ging's denn da
vorhin, oben?«
    »Dies und
das. Männersache.«
    »Und das
heißt? Hat Matt Daly in deinem Revier gewildert?«
    »Er hätte
nicht in mein Haus kommen dürfen. Ausgerechnet heute Abend.«
    Wind
strich durch den Garten, streifte die Wände des Verschlags. Für den Bruchteil
einer Sekunde sah ich Kevin, wie er bloß eine Nacht zuvor lilaweiß und
zerschmettert im Dunkeln lag, vier Gärten weiter. Doch das Bild machte mich
nicht wütend, es gab mir nur das Gefühl, bleischwer zu sein und die ganze
Nacht hier sitzen zu müssen, weil meine Chancen, je wieder von der Stufe
aufstehen zu können, gleich null waren.
    Nach einer
Weile sagte Dad: »Erinnerst du dich an das Gewitter? Da musst du, keine
Ahnung, fünf, sechs gewesen sein. Ich hab dich und deinen Bruder mit nach
draußen genommen. Deine Ma hat einen Anfall gekriegt.«
    Ich sagte:
»Ja, ich erinnere mich.« Es war so ein schwülwarmer

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