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French, Tana

French, Tana

Titel: French, Tana Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sterbenskalt
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gegen die Wand und fuhr mir mit den Händen durchs Gesicht. Jackie
beobachtete mich aus den Augenwinkeln und trank mein Guinness. Schließlich bat
sie unsicher: »Komm, lass uns wieder rausgehen, ja?«
    Ich sagte:
»Hast du Kevin eigentlich gefragt, worüber er mit mir reden wollte?«
    Sie sah
mich traurig an. »Ach, Francis, tut mir leid - ich hätte, aber du hast gesagt
...«
    »Ich weiß,
was ich gesagt habe.«
    »Hat er
dich denn noch erreicht?«
    »Nein«,
sagte ich. »Hat er nicht.«
    Wieder
kurzes Schweigen. Jackie sagte erneut: »Es tut mir so leid, Francis.«
    »Es ist
nicht deine Schuld.«
    »Die
suchen bestimmt schon nach uns.«
    »Ich weiß.
Noch eine Minute, dann gehen wir wieder raus.«
    Jackie
hielt mir die Dose hin. Ich sagte: »Scheiß drauf. Ich brauch was Richtiges.«
Unter der Fensterbank war ein lockeres Dielenbrett, wo Shay und ich immer
unsere Kippen vor Kevin versteckt hatten, und klar hatte Dad es irgendwann
entdeckt. Ich zog eine kleine halbvolle Flasche Wodka heraus, nahm einen
Schluck und bot sie Jackie an.
    »Jesses«,
sagte sie. Sie sah richtig verstört aus. »Ach, warum eigentlich nicht.« Sie
nahm die Flasche, trank einen damenhaften Schluck und betupfte ihre
geschminkten Lippen.
    »Genau«,
sagte ich. Ich genehmigte mir noch einen langen Zug aus der Flasche und
verstaute sie wieder in ihrem kleinen Versteck. »So, dann stellen wir uns mal
dem wütenden Mob.«
    In diesem
Moment veränderten sich die Geräusche draußen. Der Gesang ebbte ab, schnell.
Eine Sekunde später erstarb das Stimmengeraune. Ein Mann zischte leise
irgendwas Wütendes, ein Stuhl polterte gegen eine Wand, und dann legte Ma los,
mit einer Stimme, die irgendwo zwischen Silvesterheuler und Alarmanlage lag.
    Dad und
Matt Daly standen einander mitten im Wohnzimmer gegenüber, Kinn an Kinn. Mas
lavendelfarbenes Kleid war mit irgendetwas Nassem bespritzt, über die ganze
obere Hälfte, und sie zeterte (»Ich wusste es, du Dreckskerl, ich wusste es,
bloß diesen einen Abend, mehr hab ich nicht von dir verlangt ...«). Alle
anderen waren zurückgewichen, um keinem der Streithähne ins Gehege zu kommen.
Ich fing Shays Blick quer durch den Raum auf, mit einem sofortigen Klicken, wie
Magneten, und sogleich bahnten wir uns einen Weg durch die Gaffer.
    Matt Daly
sagte: »Setz dich hin.«
    »Dad«,
sagte ich und berührte ihn an der Schulter.
    Er bekam
nicht mal mit, dass ich da war. Er sagte zu Matt Daly: »In meinem Haus tu ich,
was mir passt.«
    Shay war
jetzt auf seiner anderen Seite und sagte: »Dad.«
    »Setz dich
hin«, sagte Matt Daly wieder, leise und kalt. »Mach hier nicht so einen
Aufstand.«
    Dad holte
aus. Die wirklich nützlichen Fertigkeiten vergisst man nicht: Ich packte ihn
genauso schnell wie Shay, meine Hände kannten den Griff noch immer, und mein
Rücken war angespannt und auf alles gefasst, als er aufhörte zu kämpfen und ihm
die Knie einknickten. Ich war puterrot, bis zum Haaransatz, vor purer,
glühendheißer Scham.
    »Schafft
ihn hier raus«, zischte Ma. Ein paar zungeschnalzende Frauen hatten sich um
sie geschart, und irgendwer wischte mit einem Taschentuch an ihrem Oberteil
herum, doch sie merkte es vor lauter Wut nicht einmal. »Los, du, verschwinde,
hau ab, geh zurück in die Gosse, wo du hingehörst, ich hätte dich da nie
rausholen sollen - auf der Trauerfeier von deinem eigenen Sohn, du Hund, hast
du denn vor nichts Achtung —«
    »Du Schlampe!«,
brüllte Dad über seine Schulter, als wir ihn gekonnt zur Tür hinausbugsierten.
»Du blödes Rabenaas!«
    »Hinten
raus«, sagte Shay schroff. »Die Dalys sollen vorne raus.«
    »Ich
scheiß auf Matt Daly«, sagte Dad zu uns, auf dem Weg die Treppe hinunter, »und
ich scheiß auf Tessie Daly. Und ich scheiß auf euch zwei. Kevin war der Einzige
von euch dreien, der was getaugt hat.«
    Shay stieß
ein schroffes, abgehacktes Lachen aus. Er wirkte unsäglich erschöpft. »Da hast
du wahrscheinlich recht.«
    »Der Beste
von der ganzen Bagage«, sagte Dad. »Mein Junge mit den blauen Augen.« Er fing
an zu weinen.
    »Du
wolltest wissen, wie es ihm geht?«, fragte Shay mich. Seine Augen sahen mich
über Dads Nacken hinweg an, wie die Flammen von Bunsenbrennern. »Jetzt hast du
Gelegenheit, es rauszufinden. Viel Spaß.« Er schob die Hintertür geschickt mit
einem Fuß auf, setzte Dad auf die Stufe und verschwand wieder nach oben.
    Dad blieb,
wo wir ihn abgeladen hatten, schluchzte hingebungsvoll, gab dann und wann eine
Bemerkung über die Grausamkeiten

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