French, Tana
wieder in Nora verwandeln und endgültig fort sein. Das Lächeln auf
ihren Lippen hätte mir das Herz aus der Brust reißen können.
Ich
berührte ihr Haar, sacht, mit den Fingerspitzen. Ihr Atem strich schnell und
warm innen über mein Handgelenk. »Wo bist du gewesen?«, sagte ich leise, dicht
an ihrem Mund. »Wo bist du die ganze Zeit gewesen?«
Wir
klammerten uns aneinander wie wilde verirrte Kinder, brennend und verzweifelt.
Meine Hände kannten den weichen heißen Schwung ihrer Hüften auswendig, deren
Form sich mir entgegenhob aus einem unergründlich tiefen Ort meiner Seele, von
dem ich geglaubt hatte, ihn für immer verloren zu haben. Ich weiß nicht, nach
wem sie suchte; sie küsste mich so hart, dass ich Blut schmeckte. Sie roch nach
Vanille. Rosie hatte immer nach Zitronendrops und Sonne und dem ätherischen
Lösungsmittel gerochen, mit dem sie in der Fabrik Flecken aus Stoffen
entfernten. Ich vergrub meine Finger tief in Noras üppigen Locken und spürte,
wie sich ihre Brüste an meinem Oberkörper hoben und senkten, so dass ich einen
Moment lang glaubte, sie würde weinen.
Sie war
es, die sich aus der Umarmung löste. Ihre Wangen waren hochrot, und sie atmete
schwer, als sie ihren Pullover herunterzog. Sie sagte: »Ich muss jetzt wieder
rein.«
Ich sagte:
»Bleib hier«, und umfasste sie wieder.
Ich
schwöre, eine Sekunde lang schwankte sie. Dann schüttelte sie den Kopf und zog
meine Hände von ihrer Taille. Sie sagte: »Ich bin froh, dass du heute Abend
gekommen bist.«
Rosie wäre
geblieben. Fast hätte ich das ausgesprochen. Ich hätte es getan, wenn
ich geglaubt hätte, dass es mir irgendetwas bringen würde. Stattdessen lehnte
ich mich auf der Bank zurück, atmete tief durch und spürte, wie sich mein Herzschlag
allmählich verlangsamte. Dann drehte ich Noras Hand um und küsste die
Innenseite. »Ich auch«, sagte ich. »Danke, dass du zu mir rausgekommen bist.
Nun geh rein, ehe du mich vollends um den Verstand bringst. Träum was Schönes.«
Ihr Haar
war zerzaust und ihre Lippen geschwollen und weich vom Küssen. Sie sagte: »Komm
gut nach Hause, Francis.« Dann stand sie auf, zog den Mantel fester um sich
und ging zurück durch den Garten.
Sie
schlüpfte ins Haus und schloss die Tür hinter sich, ohne noch einmal
zurückzublicken. Ich blieb auf der Bank sitzen und beobachtete, wie sich ihre
Silhouette im Lampenlicht hinter den Schlafzimmervorhängen bewegte, bis meine
Knie aufhörten zu zittern und ich über die Mauern klettern und nach Hause
zurückkehren konnte.
17
AUF DEM ANRUFBEANTWORTER war eine Nachricht von Jackie, die
mich um Rückruf bat. »Nichts Wichtiges. Bloß ... ach, na ja, du weißt schon.
Bis dann.« Sie klang ausgelaugt und älter, als ich sie je gehört hatte. Ich war
selbst derart mitgenommen, dass ein Teil von mir regelrecht Angst hatte, die
Nacht abzuwarten, weil ich daran denken musste, was passiert war, nachdem ich
Kevins Nachrichten ignoriert hatte, aber es war unmenschlich früh am Morgen.
Ein klingelndes Telefon hätte ihr und Gavin einen Heidenschreck eingejagt. Ich
ging schlafen. Als ich meinen Pullover auszog, konnte ich am Kragen noch immer
Noras Haar riechen. Am Mittwoch morgen wachte ich spät auf, gegen zehn, und
fühlte mich noch um einiges erschöpfter als am Vorabend. Es war ein paar Jahre
her, dass ich mich im oberen Bereich der Schmerzskala bewegt hatte, psychisch
oder physisch. Ich hatte vergessen, wie sehr einen das auslaugt. Ich verjagte
ein oder zwei Schichten Watte im Gehirn mit kaltem Wasser und schwarzem Kaffee
und rief Jackie an. »Morgen, Francis, wie geht's dir?«
Der dumpfe
Klang lag noch immer in ihrer Stimme, war sogar noch stärker geworden. Selbst
wenn ich die Zeit oder die Energie gehabt hätte, ihr wegen Holly Vorwürfe zu
machen, ich hätte es nicht übers Herz gebracht. »Morgen, Kleines. Ich hab
gerade deine Nachricht gehört.«
»Ach so
... ja. Hinterher hab ich gedacht, ich hätte vielleicht nicht ... ich wollte
dich nicht erschrecken oder so. Dir Angst machen, dass schon wieder was
passiert ist. Ich wollte bloß ... ich weiß auch nicht. Mich erkundigen, wie es
dir geht.«
Ich sagte:
»Ich weiß, dass ich Montagabend früh abgehauen bin. Ich hätte länger bleiben
sollen.«
»Vielleicht,
kann sein. Aber es ist, wie es ist. Hat aber kein Drama mehr gegeben: Alle
haben noch mehr getrunken, alle haben noch ein bisschen länger gesungen, dann
sind alle nach Hause.«
Im
Hintergrund waren jede Menge Geräusche zu
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