French, Tana
hören: Geplapper, Musik von Girls
Aloud und ein Föhn. Ich sagte: »Bist du bei der Arbeit?«
»Ja, klar.
Warum nicht? Gav konnte nicht noch einen Tag freinehmen, und mir war nicht
danach, allein in der Wohnung rumzuhängen ... Überhaupt, falls du und Shay
recht habt mit euren Wirtschaftsprognosen, sollte ich meine Stammkunden lieber
bei der Stange halten, was?« Es sollte ein Witz sein, aber sie hatte nicht die
Kraft, ihn komisch rüberzubringen.
»Quäl dich
nicht, Liebes. Wenn du erledigt bist, geh nach Hause. Ich bin sicher, deine
Stammkunden bleiben dir auf jeden Fall treu, komme, was da wolle.«
»Man kann
nie wissen, oder? Nein, nein, mir geht's gut hier. Alle sind supernett zu mir.
Sie wissen, was passiert ist, aus der Zeitung und weil ich gestern nicht da
war, und sie bringen mir Tee und lassen mich Zigarettenpause machen, wenn ich
eine brauche. Hier geht's mir besser. Wo bist du? Musst du nicht arbeiten?«
»Ich hab
mir ein paar Tage freigenommen.«
»Das ist
gut, Francis. Du arbeitest nämlich echt zu viel. Gönn dir ruhig mal was. Mach
mit Holly einen Ausflug.« Ich sagte: »Weißt du was? Wo ich jetzt ein bisschen
Freizeit habe, würde ich mich gerne mal mit Ma unterhalten. Nur wir zwei, ohne
dass Dad in der Nähe ist. Welche Tageszeit wäre da am besten? Ich meine, geht
er noch raus, was einkaufen oder in den Pub?«
»An den
meisten Tagen, ja. Aber ...« Ich konnte ihr anhören, dass sie sich anstrengen
musste, bei der Sache zu bleiben. »Gestern hatte er höllische Rückenschmerzen.
Heute auch, würde ich sagen. Er ist kaum aus dem Bett gekommen. Wenn sein
Rücken ihm so zusetzt, schläft er meistens bloß.« Übersetzung: Irgendein Arzt
hat ihm Wunderpillen gegeben, Dad hat sie mit Wodka aus dem Bodendielenversteck
runtergespült, er ist auf absehbare Zeit außer Gefecht gesetzt. »Mammy wird den
ganzen Tag da sein, wenigstens bis Shay nach Hause kommt, für den Fall, dass er
irgendwas braucht. Schau einfach vorbei, sie wird sich freuen.«
Ich sagte:
»Das mach ich. Sag deinem Gav, er soll nett zu dir sein, okay?«
»Er war
rührend, ehrlich, ich weiß gar nicht, was ich ohne ihn machen würde ... Hör
mal, hast du Lust, heute Abend zu uns zu kommen? Vielleicht zum Essen?«
Bratfisch
und Pommes mit Mitleidssoße: klang lecker. »Ich hab schon was vor«, sagte ich.
»Aber danke, Kleines. Vielleicht ein andermal. Jetzt geh lieber wieder an die
Arbeit, sonst kriegt noch jemand grüne Strähnchen.«
Jackie
versuchte ein gefälliges Lachen, scheiterte aber kläglich. »Ja, muss ich wohl.
Pass auf dich auf, Francis. Grüß Mammy von mir.« Und weg war sie, zurück in den
Dunst aus Föhnrauschen und Geplapper und Tassen mit süßem Tee.
Jackie
hatte recht, als ich klingelte, kam Ma an die Tür. Auch sie sah erschöpft aus,
und sie hatte seit Samstag abgenommen, mindestens eine Bauchrolle war
verschwunden. Sie beäugte mich einen Moment, unschlüssig, wie sie sich
verhalten sollte. Dann blaffte sie: »Dein Dad schläft. Komm in die Küche und
mach keinen Krach.« Sie drehte sich um und stapfte mühselig wieder die Treppe
hinauf. Sie hätte mal wieder zum Friseur gemusst.
Die
Wohnung stank nach Kneipe, Raumspray und Silberpolitur. Der Kevin-Schrein war
bei Tageslicht sogar noch deprimierender. Die Blumen waren halb verwelkt, die
Totenbildchen waren umgekippt, die elektrischen Kerzen wurden schwächer und
flimmerten schon. Leises, zufriedenes Schnarchen drang durch die
Schlafzimmertür. Ma hatte sämtliches Silber, das sie besaß, auf dem Küchentisch
ausgebreitet: Besteck, Broschen, Fotorahmen, rätselhafter pseudoornamentaler
Kitsch, der ganz offensichtlich lange Zeit auf dem Weiterverschenkkarussell
verbracht hatte, ehe er schließlich hier gelandet war. Ich dachte an Holly, die
völlig verheult wie eine Wilde ihr Puppenstubenmobiliar geputzt hatte. »Weißt
du was?«, sagte ich und nahm den Polierlappen. »Ich helf dir.«
»Das
kannst du sowieso nicht, du mit deinen dicken, ungeschickten Fingern.«
»Lass es
mich wenigstens versuchen. Wenn ich was falsch mache, kannst du mir ja zeigen,
wies richtig geht.«
Ma warf
mir einen misstrauischen Blick zu, aber das Angebot war zu gut, um es
abzulehnen. »Kannst dich wirklich mal nützlich machen. Du trinkst einen Tee.«
Das war
ein Befehl. Ich zog mir einen Stuhl heran und begann mit dem Besteck, während
Ma Schranktüren aufriss. Das Gespräch, das ich führen wollte, hätte am besten
als vertrauliche Plauderei zwischen Mutter und Tochter
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