Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
French, Tana

French, Tana

Titel: French, Tana Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sterbenskalt
Vom Netzwerk:
bloß,
dass sie nicht völlig verschwinden muss. Ich hatte eine große Schwester, das kannst
du sagen. Sie hieß Rosie. Sie ist gestorben.« Ein Beben
durchlief Nora, jäh und krampfhaft. Ich sagte: »Kalt?«
    Sie
schüttelte den Kopf und drückte ihre Zigarette auf einem Stein aus. »Alles
gut. Danke.«
    »Komm, gib
her«, sagte ich, nahm ihr die Kippe aus der Hand und steckte sie zurück in
meine Packung. »Gute Rebellen hinterlassen von ihren Teenagervergnügungen
niemals Spuren, die ihr Dad finden könnte.«
    »Ist doch
egal. Ich weiß überhaupt nicht, in was ich mich da reingesteigert hab.
Schließlich kann er mich nicht mehr zu Hausarrest verdonnern. Ich bin eine
erwachsene Frau. Wenn ich gehen will, gehe ich.«
    Sie sah
mich nicht mehr an. Sie entglitt mir. Noch eine Minute länger, und sie würde
sich daran erinnern, dass sie eine anständige Frau in den Dreißigern war mit
Ehemann und Kind und einem gewissen Maß an gesundem Menschenverstand und dass
nichts davon damit vereinbar war, um Mitternacht mit einem Fremden im Garten
zu sitzen und zu rauchen. »Das liegt am Eltern-Voodoo«, sagte ich und setzte
ein sarkastisches Grinsen auf. »Zwei Minuten in ihrer Gegenwart, und du
verwandelst dich im Handumdrehen wieder in ein Kind. Vor meiner Ma hab ich
immer noch einen Heidenschiss - allerdings würde sie mich auch tatsächlich
noch mit dem Holzlöffel verhauen, ob ich erwachsen bin oder nicht. Stört sie
nicht die Bohne.«
    Nach einer
Sekunde lachte Nora, ein zögerliches, leises Schnauben. »Meinem Dad würde ich
glatt zutrauen, dass er versucht, mich zu Hausarrest zu verdonnern.«
    »Und dann
würdest du ihn anschreien, er soll aufhören, dich wie ein kleines Kind zu
behandeln, genau wie du das gemacht hast, als du sechzehn warst. Wie gesagt,
Eltern-Voodoo.«
    Diesmal
lachte sie richtig, und sie lehnte sich entspannt auf der Bank zurück. »Und
irgendwann machen wir es bei unseren Kindern genauso.«
    Ich wollte
nicht, dass sie an ihr Kind dachte. »Wo wir gerade von deinem Vater sprechen«,
sagte ich. »Ich wollte mich dafür entschuldigen, wie mein Dad sich gestern
Abend aufgeführt hat.«
    Nora
zuckte die Achseln. »Sie haben sich beide danebenbenommen.«
    »Hast du
mitgekriegt, worum es ging? Ich hab mich mit Jackie unterhalten und das Beste
verpasst. Eben war noch alles paletti, und auf einmal wollen beide aufeinander
los, als wären sie im Boxring.«
    Nora
zupfte an ihrem Mantel, zog sich den schweren Kragen enger um den Hals. Sie
sagte: »Ich hab's auch nicht mitgekriegt.«
    »Aber du
kannst dir denken, worum es ging. Oder?«
    »Männer,
die ein paar Gläser intus haben, du weißt doch selbst, wie das läuft; und sie
hatten beide ein paar schwere Tage hinter sich ... Da könnte alles sie auf die
Palme gebracht haben.«
    Ich legte
ein raues, verwundetes Beben in meine Stimme: »Nora, ich hab eine halbe Stunde
gebraucht, um meinen Dad zu beruhigen. Wenn das so weitergeht, kriegt er früher
oder später einen Herzinfarkt. Ich weiß nicht, ob dieser Groll zwischen ihnen
irgendwie meine Schuld ist, ob es was damit zu tun hat, dass ich mit Rosie
zusammen war und dein Dad das nicht wollte. Aber falls das das Problem ist,
dann würde ich es wenigstens gern wissen, damit ich was dagegen unternehmen
kann, ehe es meinen Vater noch ins Grab bringt.«
    »Gott,
Francis, sag so was nicht! Es ist nicht deine Schuld!« Sie hatte die Augen weit
aufgerissen, die Finger um meinen Arm geschlungen: Ich hatte die richtige
Mischung aus schuldbewusst und vorwurfsvoll getroffen. »Ich schwöre bei Gott,
es ist nicht deine Schuld. Die beiden haben sich nie vertragen. Schon damals,
als ich noch klein war, lange bevor du mit Rosie zusammen warst, hat mein Dad
nie ...«
    Sie
verstummte, als hätte sie sich die Zunge verbrannt, und ihre Hand ließ meinen
Arm los. Ich sagte: »Er hat nie ein gutes Wort über Jimmy Mackey verloren.
Wolltest du das sagen?«
    Nora
antwortete: »Das gestern Abend war nicht deine Schuld. Mehr wollte ich nicht
sagen.«
    »Aber wessen
Schuld war es dann, verdammt nochmal? Ich bin total ratlos, Nora. Ich tappe im
Dunkeln, und ich weiß nicht mehr weiter, und kein Schwein rührt auch nur einen
Finger, um mir zu helfen. Rosie ist tot. Kevin ist tot. Die Hälfte der Straße
denkt, ich wäre ein Mörder. Ich könnte durchdrehen. Ich wollte mit dir reden,
weil ich dachte, du wärst die Einzige, die vielleicht halbwegs versteht, was
ich durchmache. Ich flehe dich an, Nora. Sag mir, was zum Teufel hier los

Weitere Kostenlose Bücher