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French, Tana

French, Tana

Titel: French, Tana Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sterbenskalt
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Zigarette.
    »Ich bin
stolz auf dich.« Ich beugte mich vor und gab ihr Feuer, lächelte und sah ihr in
die Augen. Sie nahm einen zu tiefen Zug und bekam prompt einen Hustenanfall.
Ich fächelte ihr Luft zu, und wir beide kicherten unterdrückt, zeigten dabei
aufs Haus, zischelten Pst! und
prusteten noch lauter los. »O Mann«, sagte Nora und wischte sich über die
Augen, als sie wieder atmen konnte. »Ich bin für so was nicht geschaffen.«
    »Nur
paffen«, erklärte ich ihr. »Nicht inhalieren. Denk dran, du bist ein Teenager,
also geht's hier nicht ums Nikotin. Es geht nur darum, cool auszusehen. Pass
auf, der Experte zeigt dir, wie's geht.« Ich nahm eine lässige James-Dean-Haltung
ein, klemmte mir eine Zigarette in den Mundwinkel, zündete sie an und schob den
Unterkiefer vor, um den Rauch in einem langen Strom auszupusten. »Voilà. Hast du
gesehen?«
    Sie
kicherte wieder. »Du siehst aus wie ein Gangster.«
    »Das ist
ja auch Sinn der Sache. Aber falls du eher zum raffinierten Starlet-Look
tendierst, der geht anders. Setz dich gerade hin.« Sie tat es. »Schlag die
Beine übereinander. Jetzt das Kinn runter, sieh mich aus den Augenwinkeln an,
spitz die Lippen und ...« Sie paffte an der Zigarette, kippte zusätzlich noch
affektiert das Handgelenk ab und blies den Rauch in den Himmel.
»Ausgezeichnet«, sagte ich. »Ab sofort bist du offiziell das supercoolste,
ungehorsamste Mädchen in der ganzen Nachbarschaft. Herzlichen Glückwunsch.«
    Nora
lachte und machte es noch mal. »Bin ich wirklich, oder?«
    »Absolut.
Ein echtes Naturtalent. Ich hab schon immer gewusst, dass du in Wahrheit ein
schlimmer Finger bist.«
    Nach einem
Moment sagte sie: »Hast du dich hier draußen immer mit Rosie getroffen?«
    »Nein. Ich
hatte zu viel Schiss vor deinem Dad.«
    Sie
nickte, blickte prüfend auf die Glut ihrer Zigarette. »Ich hab heute Abend an
dich gedacht.«
    »Tatsache?
Warum?«
    »Rosie.
Und Kevin. Deshalb bist du doch auch hergekommen, oder?«
    »Ja«,
sagte ich vorsichtig. »Mehr oder weniger. Ich habe mir gedacht, falls irgendwer
weiß, wie die letzten paar Tage waren ...«
    »Sie fehlt
mir, Francis. Sehr.«
    »Ich weiß,
Nora. Ich weiß. Mir auch.«
    »Ich hätte
nicht gedacht ... Vorher hab ich sie nur ganz selten mal vermisst: Als ich das
Baby bekam und sie nicht da war, um sich den Kleinen anzusehen, oder wenn Ma
oder Dad mir auf den Keks gegangen sind und ich Rosie gern angerufen hätte, um
ordentlich über sie zu lästern. Ansonsten hab ich kaum an sie gedacht, nicht
mehr. Ich hatte andere Dinge im Kopf. Aber als ich erfahren hab, dass sie tot
ist, hab ich mir die Augen ausgeheult.«
    »Dafür bin
ich nicht der Typ«, sagte ich, »aber ich weiß, was du meinst.«
    Nora
schnippte Asche ab, ließ sie gezielt auf den Kies fallen, wo ihr Daddy sie am
Morgen nicht sehen würde. Sie sagte mit schmerzhaft spröder Stimme: »Mein Mann
nicht. Er versteht nicht, warum ich so aufgewühlt bin. Ich hab sie zwanzig
Jahre nicht gesehen und bin trotzdem ein Wrack ... Er hat gesagt, ich soll mich
zusammenreißen, weil ich sonst dem Kleinen Angst mache. Meine Ma ist auf
Valium, und mein Dad meint, ich sollte mich um sie kümmern, weil sie ja
schließlich ein Kind verloren hat ... Ich musste dauernd an dich denken. Ich hab
gedacht, du bist vielleicht der Einzige, der mich nicht für meschugge hält.«
    Ich sagte:
»Ich habe Kevin in den letzten zweiundzwanzig Jahren nur ein paar Stunden
gesehen, und es tut trotzdem höllisch weh. Ich finde dich überhaupt nicht
meschugge.«
    »Ich hab
das Gefühl, ich bin nicht mehr derselbe Mensch. Verstehst du, was ich meine?
Mein ganzes Leben lang hab ich immer, wenn Leute gefragt haben, ob ich
Geschwister hab, geantwortet: Ja, ja, ich hab eine große
Schwester. Von jetzt an muss ich sagen: Nein, es
gibt nur mich. Als wäre ich Einzelkind.«
    »Aber du
kannst den Leuten doch immer noch von ihr erzählen.«
    Nora
schüttelte so heftig den Kopf, dass ihr das Haar ins Gesicht flog. »Nein. Ich
werde nicht lügen. Das ist das Schlimmste dabei: Ich hab die ganze Zeit gelogen
und wusste es noch nicht mal. Immer wenn ich irgendwem erzählt hab, ich hätte
eine Schwester, stimmte das gar nicht. Ich war die ganze Zeit schon
Einzelkind.«
    Ich dachte
an Rosie im O'Neill, wie sie sich dagegen gesträubt
hatte, so zu tun, als wären wir verheiratet: Kommt
nicht in Frage, ich täusch so was nicht vor, es geht nicht darum, was die Leute
denken ... Ich sagte sanft: »Ich mein ja nicht lügen. Ich meine

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