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French, Tana

French, Tana

Titel: French, Tana Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sterbenskalt
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ich mich in
selbstgerechter Empörung über Olivias und Jackies Heimlichkeiten gesuhlt, aber
nichts, was die beiden hätten anders machen können, zu irgendeinem längst
vergangenen Zeitpunkt, hätte uns hiervor bewahrt. Das hier fiel auf mich
zurück. Ich hätte den Mond anheulen können wie ein Werwolf und mir selbst in
die Handgelenke beißen, um das aus meinen Adern zu bekommen.
    Shay
sagte: »Sag so was nicht. Sie ist tot, vergiss sie. Lass sie in Frieden ruhen
und konzentrier dich auf deine Matheaufgaben.«
    Das leise Flüstern des Stifts auf Papier. »Zweiundvierzig?«
    »Nein. Fang noch mal von vorne an, du bist abgelenkt.«
Holly sagte: »Onkel Shay?«
    »Mmm?«
    »Einmal,
als ich hier war, hat doch dein Telefon geklingelt und du bist ins Schlafzimmer
gegangen?«
    Ich hörte
ihr an, dass sie auf etwas Wichtiges hinauswollte. Und Shay hörte das auch: In
seine Stimme schlich sich ein erster argwöhnischer Beiklang. »Ja, und?«
    »Mir ist
mein Bleistift abgebrochen, und ich konnte meinen Anspitzer nicht finden, weil
Chloe sich den in Kunst geliehen hat. Ich hab ganz lange gewartet, aber du hast
immer weitertelefoniert.«
    Shay sagte, sehr sanft: »Und was hast du dann gemacht?«
    »Ich hab nach einem anderen Stift gesucht. Da in der Kommode.«
    Langes
Schweigen, nur eine hysterisch kreischende Frauenstimme aus dem Fernseher von
unten, gedämpft durch all die dicken Wände und schweren Teppiche und hohen
Decken. Shay sagte: »Und da hast du was gefunden.«
    Holly
sagte beinah unhörbar: »Entschuldigung.«
    Ich wäre
fast durch die Tür gebrochen, ohne sie zu öffnen. Zweierlei hielt mich zurück.
Erstens, Holly war neun Jahre alt. Sie glaubte an Feen, beim Weihnachtsmann war
sie sich nicht so ganz sicher. Vor ein paar Monaten hatte sie mir erzählt, sie
hätte, als sie noch klein war, öfter auf einem geflügelten Pferd Ausritte von
ihrem Schlafzimmerfenster aus gemacht. Falls ihre Aussage je eine ernste Waffe
werden sollte - falls ich irgendwann wollte, dass ihr noch jemand anders
glaubte -, dann musste ich in der Lage sein, sie zu bestätigen. Ich musste es
aus Shays Mund hören.
    Zweitens,
es bestand vorläufig kein Grund, mit blanker Waffe hineinzustürzen, um mein
kleines Mädchen aus den Klauen des großen bösen Mannes zu retten. Ich starrte
auf den hellen Lichtspalt rings um die Tür und lauschte, als wäre ich Millionen
Meilen entfernt oder Millionen Jahre zu spät. Ich wusste haargenau, was Olivia
denken würde, was jeder normale Mensch denken würde, und ich blieb still
stehen und ließ Holly für mich die Drecksarbeit machen. Ich habe in meinem
Leben schon viele fragwürdige Dinge getan, und keines davon hat mir nachts den
Schlaf geraubt, aber das hier war etwas Besonderes. Falls es eine Hölle gibt,
wird dieser Moment auf dem dunklen Flur der Grund sein, warum ich dort lande.
    Shay
sprach, als bekäme er schlecht Luft: »Hast du das irgendwem erzählt?«
    »Nein. Ich
wusste nicht mal, was es war, aber vor ein paar Tagen hab ich es rausgefunden.«
    »Holly.
Liebes. Hör gut zu. Kannst du ein Geheimnis für dich behalten?«
    In Hollys
Stimme lag etwas, das erschreckend nach Stolz klang: »Ich hab das schon vor
einer Ewigkeit gesehen. Ich meine, vor Monaten und Monaten und Monaten, und ich
hab keinem was gesagt.«
    »Das
stimmt, hast du nicht. Braves Mädchen.«
    »Siehst
du?«
    »Ja, das
seh ich. Und kannst du so weitermachen? Es für dich behalten?« Schweigen.
    Shay
sagte: »Holly. Wenn du es jemandem erzählst, was meinst du, was dann passiert?«
    »Dann
kriegst du Ärger.«
    »Vielleicht. Ich hab nichts
Schlimmes getan - hörst du? aber so einige Leute werden das nicht glauben. Ich
könnte ins Gefängnis kommen. Willst du das?«
    Hollys
Stimme sank tiefer, ein kleinlauter Ton Richtung Boden. »Nein.«
    »Hab ich
auch nicht gedacht. Und selbst wenn ich nicht ins Gefängnis komme, was passiert
dann? Was, meinst du, wird dein Dad dazu sagen?«
    Unsicheres
zittriges Einatmen, kleines verwirrtes Mädchen. »Er wird böse werden?«
    »Er wird
fuchsteufelswild werden. Auf dich und auf mich, weil wir ihm nicht früher davon
erzählt haben. Er wird dich nie wieder herkommen lassen; du wirst keinen von
uns je wiedersehen dürfen. Deine Nana nicht, mich nicht, Donna nicht. Und er
wird todsicher dafür sorgen, dass deine Mammy und Tante Jackie ihn diesmal
nicht hinters Licht führen und dich heimlich herbringen.« Ein paar Sekunden, um
das sacken zu lassen. »Was noch?«
    »Nana. Sie wird sich

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