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French, Tana

French, Tana

Titel: French, Tana Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sterbenskalt
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Flasche in meine Richtung.
Ich schüttelte den Kopf.
    »Wie du
willst. Er stürmt also Richtung Schlafzimmer, um uns allesamt auf der Stelle
abzuschlachten. Ma springt ihn an, um ihn zurückzuhalten, und schreit mir zu,
ich soll die Kleinen rausschaffen. Ich bin ja schließlich der Mann im Haus,
nicht? Also reiß ich dich aus dem Bett und sage, dass wir wegmüssen. Du
nörgelst und quengelst: wieso denn, ich will nicht, kommandier mich nicht rum
... Ich weiß, dass Ma Dad nicht lange aufhalten kann, also knall ich dir eine,
schnappe mir Kev und schleif dich am Kragen von deinem T-Shirt mit. Wo sollte
ich euch hinbringen? Aufs nächste Polizeirevier?«
    »Wir
hatten Nachbarn. Jede Menge sogar.«
    Glühender
Ekel erhellt sein ganzes Gesicht. »Au ja. Unsere Familienprobleme vor der
ganzen Straße ausbreiten, ihnen so viel Futter liefern, dass es für den Rest
ihres Lebens reicht. Hättest du das gemacht?« Er kippte einen kräftigen Schluck
Whiskey in sich hinein und schüttelte ruckartig den Kopf, das Gesicht zu einer
Grimasse verzogen. »Ja, du vielleicht. Aber ich hätte mich mein ganzes Leben
lang geschämt. Schon mit acht war ich dafür zu stolz.«
    »Mit acht
war ich das auch. Heute als Erwachsener ist mir eher schleierhaft, wie man
darauf stolz sein kann, seine kleinen Brüder in einer Todesfalle
einzusperren.«
    »Es war
das Beste, was mir für euch einfiel, verdammt nochmal. Du denkst, ihr beide
hattet eine schlimme Nacht? Ihr musstet bloß in Deckung bleiben, bis Dad aus
den Latschen gekippt ist und ich euch zurückholen konnte. Ich hätte alles
dafür gegeben, mit euch in dem schönen sicheren Keller zu bleiben, aber nein:
Ich musste hierher zurück.«
    Ich sagte:
»Also schön, schick mir die Rechnung für deine Therapiesitzungen. Geht's dir
darum?«
    »Ich hab
dein Scheißmitleid nicht nötig. Ich sag dir nur eins: Erwarte nicht von mir,
dass ich mich in Schuldgefühlen wälze, weil du mal vor zig Jahren ein paar
Minuten im Dunkeln hocken musstest.«
    Ich sagte:
»Bitte erzähl mir nicht, dass diese kleine Anekdote für dich die
Entschuldigung war, zwei Menschen umzubringen.«
    Es folgte
sehr langes Schweigen. Dann sagte Shay: »Wie lange hast du an der Tür
gelauscht?«
    Ich sagte:
»Ich hätte kein einziges Wort mithören müssen.«
    Nach einem
Moment sagte er: »Holly hat dir irgendwas erzählt.«
    Ich
antwortete nicht.
    »Und du
glaubst ihr.«
    »Na, hör
mal, sie ist meine Tochter. Auch wenn du das sentimental findest.«
    Er
schüttelte den Kopf. »Das hab ich nicht gesagt. Ich sage nur, dass sie ein Kind
ist.«
    »Deswegen
ist sie noch lange nicht dumm. Oder eine Lügnerin.«
    »Nein.
Aber deswegen hat sie eine blühende Phantasie.«
    Ich habe
mir schon so manche Beleidigung anhören müssen, in Bezug auf alles Mögliche,
von meiner Manneskraft bis hin zu den Genitalien meiner Mutter, und ich habe
nicht ein einziges Mal mit der Wimper gezuckt, aber bei der Vorstellung, dass
ich Hollys Wort aufgrund von Shays Behauptungen anzweifeln sollte, kletterte
mein Blutdruck wieder nach oben. Ich sagte, ehe er das merken konnte: »Ich will
eins klarstellen: Holly hat mir überhaupt nichts erzählen müssen. Ich weiß genau,
was du mit Rosie und Kevin gemacht hast. Ich weiß es schon länger, als du
ahnst.«
    Nach einem
Moment kippelte Shay erneut mit seinem Stuhl nach hinten, griff ins Sideboard
und holte ein Päckchen Zigaretten und einen Aschenbecher heraus: Er rauchte
auch nicht in Hollys Gegenwart. Er löste in aller Ruhe das Zellophan von der
Packung, klopfte das Ende seiner Zigarette auf den Tisch, zündete sie an. Er
überlegte, sortierte seine Gedanken und trat zurück, um sich anzuschauen,
welche neuen Muster sie ergaben. Schließlich sagte er: »Du hast drei
unterschiedliche Dinge in der Hand. Einmal das, was du weißt. Dann das, was du
meinst zu wissen. Und das, was du verwenden kannst.«
    »Sag bloß,
Sherlock. Und?«
    Ich sah,
wie er eine Entscheidung traf, sah, wie seine Schultern sich bewegten und
anspannten. Er sagte: »Damit eins klar ist: Ich bin nicht in das Haus gegangen,
um deiner Freundin irgendwas zu tun. Hab im Traum nicht dran gedacht, bis es
passiert ist. Ich weiß, dass du mich hier als den bösen Schurken sehen willst.
Ich weiß, dass das prima zu allem passen würde, was du schon immer geglaubt
hast. Aber so war es nicht. So einfach war es nie.«
    »Dann klär
mich auf. Warum bist du hingegangen, was zum Teufel hattest du vor?«
    Shay
stützte die Ellbogen auf den Tisch, schnippte

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