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French, Tana

French, Tana

Titel: French, Tana Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sterbenskalt
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Asche von seiner Zigarette, sah
zu, wie die orangerote Glut aufglimmte und wieder verblasste. »Als ich in dem
Fahrradladen angefangen hab«, sagte er, »hab ich von der ersten Woche an von
meinem Lohn jeden Penny gespart, den ich sparen konnte. Hab das Geld in einem
Umschlag aufbewahrt, der auf der Rückseite von dem Farrah-Fawcett-Poster
klebte, weißt du noch? Damit du es mir nicht klaust, oder Kevin, oder Dad.«
    Ich sagte:
»Ich hab mein Geld in meinem Rucksack verwahrt. Mit Klebeband im Innenfutter.«
    »Ja. Es
blieb nicht viel übrig, wenn ich Ma Geld gegeben und mir noch ein paar Bierchen
gegönnt hatte, aber es war die einzige Möglichkeit, die mir blieb, um in dieser
Wohnung nicht durchzudrehen. Und jedes Mal, wenn ich es zählte, hab ich mir
gesagt, bis ich genug für eine Anzahlung auf eine möblierte Wohnung
zusammenhätte, wärst du alt genug, um dich um die Kleinen zu kümmern. Carmel
würde dich unterstützen - sie ist eine vernünftige Frau, war sie schon immer.
Ihr zwei hättet das schon hingekriegt, bis Kevin und Jackie alt genug gewesen
wären, um allein zurechtzukommen. Ich wollte bloß eine kleine Wohnung für mich,
um auch mal ein paar Kumpel einladen zu können. Eine Freundin mit nach Hause
nehmen. Wo ich richtig hätte durchschlafen können, ohne immer mit einem Ohr
auf Dad zu lauschen. Ein bisschen Ruhe und Frieden.«
    Es lag so
viel alte, ermattete Sehnsucht in seiner Stimme, dass ich glatt Mitleid mit ihm
hätte haben können, wenn ich es nicht besser gewusst hätte. »Ich war fast so
weit«, sagte er. »Ich war ganz nah dran. Gleich im neuen Jahr wollte ich anfangen,
mir eine Wohnung zu suchen ... Und dann verlobte sich Carmel. Ich wusste, dass
sie möglichst schnell heiraten wollte, sobald sie das Darlehen von der Bank
hätten. Ich hab's ihr nicht übelgenommen. Sie hatte die Chance rauszukommen
genauso verdient wie ich. Die hatten wir uns weiß Gott beide verdient. Damit
bliebst du.«
    Er warf
mir über den Rand seines Glases einen müden, finsteren Blick zu. Es lag keine
brüderliche Liebe darin, kaum Wiedererkennen. Er sah mich an, als wäre ich ein
großer schwerer Gegenstand, der immer wieder mitten auf der Straße auftauchte
und ihm in den denkbar ungeeignetsten Augenblicken schmerzhaft gegen die
Schienbeine knallte. »Bloß«, sagte er, »du hast das nicht so gesehen. Als
Nächstes fand ich heraus, dass du auch vorhattest abzuhauen - noch dazu nach
London. Ich wäre schon mit Ranelagh zufrieden gewesen. Scheiß auf deine
Familie, ja? Scheiß auf deine Verantwortung, und scheiß auf meine Chance
rauszukommen. Unseren Francis interessiert nur eins, nämlich dass er seine
Tussi bumsen kann.«
    Ich sagte:
»Mich interessierte, dass Rosie und ich glücklich sein würden. Gut möglich,
dass wir die zwei glücklichsten Menschen auf dem Planeten geworden wären. Aber
das konntest du uns ja nicht gönnen.«
    Shay
lachte Rauch aus seiner Nase. »Ob du's glaubst oder nicht«, sagte er, »fast
hätte ich's getan. Klar, ich wollte dich windelweich prügeln, ehe du abhaust,
ich wollte dich voll mit blauen Flecken auf die Fähre schicken, in der
Hoffnung, dass die Briten dir am anderen Ende ordentlich Schwierigkeiten
machen, weil du verdächtig aussiehst. Aber ich wollte dich gehen lassen. In
drei Jahren wäre Kevin achtzehn gewesen, und dann hätte er sich um Ma und
Jackie kümmern können. Ich dachte mir, so lange würde ich noch durchhalten.
Aber dann ...«
    Seine
Augen glitten ab, zum Fenster und den dunklen Dächern und der funkelnden
Kitschorgie der Hearnes. »Dad hat dazwischengefunkt«, sagte er. »An demselben
Abend, an dem ich das mit dir und Rosie herausfand: Das war der Abend, als er
auf der Straße vor dem Haus der Dalys völlig durchgedreht ist und die Bullen
kommen mussten ... Ich hätte noch drei Jahre auf die Reihe gekriegt, wenn alles
beim Alten geblieben wäre. Aber er wurde immer schlimmer. Du warst nicht dabei,
du hast es nicht gesehen. Ich hatte die Schnauze voll. Der Abend, das war
einfach zu viel.«
    Ich kam
von meiner Schwarzarbeit für Wiggy und fühlte mich wie im siebten Himmel.
Faithful Place war hell erleuchtet, überall Stimmengemurmel; Carmel fegte
zerbrochenes Porzellan zusammen, Shay versteckte die scharfen Messer. Die ganze
Zeit hatte ich gewusst, dass dieser Abend eine entscheidende Rolle gespielt
hatte. Zweiundzwanzig Jahre lang hatte ich gedacht, dass Rosie es sich deshalb
anders überlegt hatte. Nie war mir der Gedanke gekommen, dass der Abend für

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