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French, Tana

French, Tana

Titel: French, Tana Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sterbenskalt
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Musik
und Abenteuer und Schmuck und ihre Freundinnen. Sie hatte größere Pläne als
irgendjemand sonst, den ich kannte. Wenn ihr etwas wichtig war, gab sie es
nicht auf, um keinen Preis der Welt. Du hättest sie gemocht.«
    »Nein,
hätte ich nicht.«
    »Ob du's
glaubst oder nicht, Häschen, du hättest. Und sie hätte dich gemocht.«
    »Hast du
sie mehr liebgehabt als Mum?«
    Aha.
»Nein«, sagte ich, und es kam mir so glatt und mühelos über die Lippen, dass
ich mir ganz und gar nicht sicher war, ob es eine Lüge war. »Ich hab sie anders
liebgehabt. Nicht mehr. Nur anders.«
    Holly
starrte zum Fenster hinaus, wickelte sich den Faden um die Finger und dachte
ihre eigenen tiefschürfenden Gedanken. Ich unterbrach sie nicht. Vorne an der
Ecke waren ein paar Kinder, kaum älter als sie, die sich gegenseitig gegen eine
Wand schubsten, grölten und laut quatschten. Ich sah glühende Zigaretten und
glänzende Dosen.
    Schließlich
sagte Holly mit gepresster, tonloser Stimme: »Hat Onkel Shay Rosie getötet?«
    Ich sagte:
»Ich weiß es nicht. Das kann ich nicht entscheiden, genauso wenig wie du. Das
kann nur ein Gericht mit Geschworenen entscheiden.«
    Ich wollte
sie schonen, aber sie ballte die Fäuste und schlug sich auf die Knie. »Daddy, nein, das meine
ich nicht, ist mir egal, was irgendwer entscheidet!   Ich meine,
ehrlich. Hat er?«
    Ich sagte:
»Ja. Da bin ich mir ziemlich sicher.«
    Wieder
Schweigen, diesmal länger. Die Typen an der Wand hatten inzwischen begonnen,
sich gegenseitig unter den lautstarken Anfeuerungen der anderen Kartoffelchips
ins Gesicht zu drücken. Schließlich sagte Holly noch immer mit dieser dünnen
gepressten Stimme: »Wenn ich Stephen erzähle, worüber ich mit Onkel Shay
geredet habe.«
    »Ja?«
    »Was
passiert dann?«
    Ich sagte: »Ich weiß es nicht. Das
wird sich zeigen.«
    »Kommt er dann ins Gefängnis?«
    »Könnte sein. Kommt drauf an.«
    »Worauf? Auf mich?«
    »Zum Teil.
Zum Teil aber auch auf viele andere Leute.«
    Ihre
Stimme zitterte ein ganz kleines bisschen. »Aber mir hat er nie was Böses
getan. Er hilft mir bei den Hausaufgaben, und er hat mir und Donna gezeigt, wie
man mit den Händen Schatten macht. Er lässt mich sogar an seinem Kaffee
nippen.«
    »Ich weiß,
Schätzchen. Er ist für dich ein netter Onkel gewesen, und das ist wichtig.
Aber er hat auch andere Sachen gemacht.«
    »Ich will
nicht, dass er wegen mir ins Gefängnis muss.«
    Ich
versuchte, ihren Blick aufzufangen. »Kleines, hör mir zu. Ganz gleich, was
passiert, es wird nicht deine Schuld sein. Was auch immer Shay getan hat, er
hat es selbst getan. Nicht du.«
    »Trotzdem
wird er wütend sein. Und Nana und Donna und Tante Jackie. Die sind dann alle
böse auf mich, weil ich es erzählt habe.«
    Das Beben
in ihrer Stimme wurde heftiger. Ich sagte: »Sie werden ziemlich aufgebracht
sein, ja. Und vielleicht sind sie auch ein Weilchen sauer auf dich, zu Anfang.
Aber selbst wenn, das gibt sich wieder. Weil sie alle ebenso gut wie ich
wissen, dass es nicht deine Schuld ist.«
    »Das weißt
du nicht sicher. Vielleicht hassen sie mich für immer und ewig. Du kannst das
nicht versprechen.«
    Ihre Augen
waren weißlich umringt, gehetzt. Ich wünschte, ich hätte Shay noch sehr viel
härter geschlagen, als ich die Gelegenheit hatte. »Nein«, sagte ich. »Kann ich
nicht.«
    Holly trat
beide Füße mit voller Wucht hinten in die Lehne des Beifahrersitzes. »Ich will
das alles nicht. Ich will, dass alle weggehen und mich in Ruhe lassen. Ich
wünschte, ich hätte den blöden Brief überhaupt nie gesehen!«
    Noch ein
Tritt, der den Sitz nach vorn wippen ließ. Von mir aus hätte sie mein Auto kurz
und klein treten können, wenn sie sich dadurch besser gefühlt hätte, aber wenn
sie so weitermachte, würde sie sich noch verletzen. Ich drehte mich schnell
zur Seite und schob einen Arm zwischen ihre Füße und die Lehne. Sie gab einen
wilden, hilflosen Laut von sich und wand sich heftig, versuchte, einen Tritt zu
landen, ohne mich zu treffen, aber ich packte ihre Knöchel und hielt sie fest.
»Ich weiß ja. Ich weiß. Ich will das auch alles nicht, aber es ist nun mal da.
Und ich wünschte bei Gott, ich könnte dir sagen, dass alles gut sein wird,
sobald du die Wahrheit gesagt hast, aber das kann ich nicht. Ich kann dir nicht
mal versprechen, dass du dich dann besser fühlst. Das könnte sein, aber genauso
gut könnte es sein, dass du dich danach sogar noch schlechter fühlst. Das
Einzige, was ich dir sagen kann, ist,

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