French, Tana
Wenn Rocky die Dalys vor den Kopf gestoßen hatte, würde er es
schwerhaben, irgendwem in einem Radius von einer halben Meile irgendwelche
Auskünfte zu entlocken. Und falls da draußen irgendwer Grund hatte, sich Sorgen
zu machen, sollte er sich mächtig Sorgen machen, daraufkam es mir an.
Ich sagte:
»Wenn ich noch irgendwas höre, was die Dalys wissen sollten, werde ich es ihnen
nicht vorenthalten.«
Jackie
streckte den Arm aus und berührte mein Handgelenk. Sie sagte: »Es tut mir
leid, Francis. Ich hatte gehofft, es würde sich als was anderes herausstellen -
irgendeine Verwechslung, keine Ahnung, irgendwas ...«
»Das arme
junge Ding«, sagte Carmel sanft. »Wie alt war sie? Achtzehn?«
Ich sagte:
»Gerade neunzehn.«
»Ach Gott,
kaum älter als mein Darren. Und hat all die Jahre allein in dem schrecklichen
Haus gelegen. Ihre Eltern verrückt vor Sorge, wo sie wohl ist, und die ganze
Zeit ...«
Jackie
sagte: »Ich hätte nie gedacht, dass ich das mal sagen würde, aber dieser PJ
Lavery hatte doch sein Gutes.«
»Hoffentlich«,
sagte Kevin. Er trank sein Bier aus. »Noch 'ne Runde?«
»Von mir
aus«, sagte Jackie. »Was meinst du mit hoffentlich?«
Kevin
zuckte die Achseln. »Hoffentlich wird alles gut, mehr nicht.«
»Menschenskind,
Kevin, wie soll denn bitteschön alles gut werden? Das arme Mädchen ist tot!
Entschuldige, Francis.«
Shay
sagte: »Er meint, hoffentlich graben die Bullen nicht irgendwas aus, so dass
wir uns hinterher wünschen, die Jungs von Lavery hätten den Koffer einfach in
einen Müllcontainer geworfen, statt schlafende Hunde zu wecken.«
»Was denn
zum Beispiel?«, fragte Jackie. »Kev?«
Kevin
schob seinen Stuhl zurück und sagte mit plötzlicher Vehemenz: »Das Gespräch
hier geht mir so was von auf den Geist, und Frank wahrscheinlich auch. Ich geh
jetzt zur Theke. Falls ihr immer noch über den Mist redet, wenn ich zurückkomme,
stell ich eure Getränke hin und geh nach Hause.«
»Na, sieh
einer an«, sagte Shay und hob einen Mundwinkel. »Die Maus, die brüllte. Alle
Achtung, Kev. Du hast völlig recht. Ab sofort reden wir über die neuste Staffel
von Lost. Und jetzt hol uns ein Bier.«
Wir
tranken noch eine Runde, und dann noch eine. Heftiger Regen prasselte gegen
die Fenster, doch der Barmann hatte die Heizung hoch aufgedreht, und das
Einzige, was wir vom Wetter mitbekamen, war der kalte Luftzug, wenn die Tür aufging.
Carmel fasste sich ein Herz und ging zur Theke, um ein halbes Dutzend
getoastete Sandwichs zu bestellen, und mir wurde klar, dass ich seit dem halben
Frühstück bei Ma nichts mehr gegessen und Hunger hatte, so einen Heißhunger,
der einen dazu bringen könnte, irgendwas aufzuspießen und roh zu essen. Shay
und ich erzählten abwechselnd Witze, bei denen Jackie ihren Gin-Tonic in die
Nase kriegte und Carmel kreischte und uns auf die Hände schlug, sobald sie die
Pointe kapiert hatte. Kevin ahmte Ma beim Weihnachtsessen so unglaublich
treffend nach, dass wir uns alle krümmten vor hilflosem, schmerzhaftem Lachen.
»Aufhören«, keuchte Jackie verzweifelt und wedelte mit einer Hand. »Ich
schwöre, das hält meine Blase nicht länger aus, ich mach mir in die Hose, wenn
du nicht aufhörst.«
»Sie macht
das wirklich«, sagte ich noch ganz außer Atem. »Und dann musst du einen Lappen
holen und alles aufwischen.«
»Ich weiß
nicht, was du da zu lachen hast«, sagte Shay zu mir. »Dieses Jahr Weihnachten
wirst du mit uns zusammen leiden.«
»Von
wegen. Ich werde schön gemütlich zu Hause hocken, Single Malt trinken und jedes
Mal lachen, wenn ich an euch arme Schweine denke.«
»Wart's
ab, Freundchen. Jetzt, wo Ma dich wieder in den Krallen hat, glaubst du, da
lässt sie dich los, so kurz vor Weihnachten? Lässt sich die Chance entgehen,
uns alle gleichzeitig unglücklich zu machen? Wart's ab.«
»Wetten
wir?«
Shay streckte
eine Hand aus. »Fünfzig Mäuse. Du wirst beim Weihnachtsessen mir gegenüber am
Tisch sitzen.«
»Die Wette
gilt«, sagte ich. Wir besiegelten sie mit Handschlag. Seine Hand war trocken
und kräftig und schwielig, und bei der Berührung kriegten wir durch statische
Aufladung einen gewischt, dass die Funken flogen. Keiner von uns zuckte.
Carmel
sagte: »Weißt du was, Francis, wir haben zwar gesagt, wir würden dich nicht
fragen, aber ich muss einfach - Jackie, hörst du endlich mal auf, mich zu
kneifen!«
Jackie
hatte ihre Blase wieder unter Kontrolle und warf Carmel einen unheilschwangeren
Blick zu. Carmel sagte würdevoll:
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