French, Tana
langen
Schluck von meinem Bier. »Hat Kennedy nicht mit den Dalys darüber gesprochen?«
Carmel
sagte spitzzüngig: »Kein Wort. Die haben ihn angefleht, ihnen zu sagen, was mit ihr passiert ist, echt, und er hat nicht ein
Wort gesagt. Ist einfach gegangen und hat sie mit ihren Fragen alleingelassen.«
Jackie
hatte sich vor Empörung kerzengerade hingesetzt. Sogar ihr Haar sah aus, als
wäre es größer geworden. »Ihre eigene Tochter, und er sagt ihnen, es ginge sie
nichts an, ob sie ermordet wurde oder nicht. Auch wenn er dein Kumpel ist,
Francis, so was gehört sich nicht.«
Rocky
hinterließ einen noch besseren Eindruck, als ich erwartet hatte. Ich sagte:
»Kennedy ist kein Kumpel von mir. Er ist bloß ein kleiner nerviger Wichtigtuer,
mit dem ich ab und an beruflich zu tun hab.«
Shay
sagte: »Ich wette, ihr seid immerhin so gute Kumpel, dass er dir erzählt hat,
was mit Rosie passiert ist.«
Ich sah
mich im Pub um. Die Gespräche waren ein bisschen auf Touren gekommen - nicht
lauter, aber schneller und konzentrierter: Die Nachricht hatte es endlich bis
hierher geschafft. Niemand schaute zu uns rüber, teils aus Höflichkeit Shay
gegenüber und teils, weil in einem Pub dieser Sorte die meisten Leute eigene
Probleme haben und wissen, wie wichtig Vertraulichkeit ist. Ich beugte mich auf
den Ellbogen vor und sagte mit gesenkter Stimme: »Okay. Ich könnte zwar dafür
gefeuert werden, aber die Dalys haben es verdient zu wissen, was wir wissen.
Ihr müsst mir versprechen, dass Kennedy nichts davon spitzkriegt.«
Shay hatte
einen tausend Watt skeptischen Blick aufgesetzt, doch die anderen drei waren
ganz Ohr, nickten eifrig, stolz wie Oskar: unser Francis, nach all den Jahren
immer noch vor allem ein Liberties-Junge und dann erst ein Bulle, Mann, ist
das nicht toll, dass wir ein so verschworener Haufen sind. Genau das würden die
Mädels in der Nachbarschaft rumerzählen, sozusagen als Sahnehäubchen zu meinen
ohnehin schon schmackhaften Informationen: Francis ist einer von uns.
Ich sagte:
»Es sieht ganz so aus, als ob sie ermordet wurde.«
Carmel
keuchte auf und bekreuzigte sich wieder. Von Jackie: »Gott segne und errette
uns!«
Kevin sah
noch immer blass aus. Er fragte: »Wie?«
»Steht
noch nicht fest.«
»Aber sie
finden es raus, oder?«
»Wahrscheinlich.
Könnte schwer werden nach der langen Zeit, aber die im Labor verstehen ihr
Handwerk.«
»Wie in CSI ?«
Carmel machte große Augen.
»Ja«,
sagte ich, was den unbrauchbaren Kriminaltechniker in Rage gebracht hätte -
alle vom Kriminallabor regen sich über CSI so auf,
dass sie vor Wut stottern -, den alten Damen aber den Tag versüßen würde.
»Genau so.«
»Ganz ohne
Zauberhand«, sagte Shay trocken in sein Bier.
»Du
würdest dich wundern. Die Jungs finden so gut wie alles, was sie ins Visier
nehmen - alte Blutspritzer, winzige Mengen DNA, zig verschiedene Arten von
Verletzungen, egal was. Und während die rausfinden, wie sie ermordet wurde,
finden Kennedy und seine Leute raus, wer sie ermordet hat. Die werden mit jedem
sprechen, der damals hier in der Gegend gewohnt hat. Sie werden wissen wollen,
mit wem sie befreundet war, mit wem sie Streit hatte, wer sie mochte und wer
nicht und wieso, was sie in den letzten paar Tagen ihres Lebens in jeder
Sekunde gemacht hat, ob irgendwem in der Nacht, in der sie verschwunden ist,
irgendwas Merkwürdiges aufgefallen ist, ob irgendwem irgendwer aufgefallen ist,
der sich um die Zeit oder kurz danach seltsam verhalten hat... Sie werden
verdammt gründlich sein, und sie werden sich so viel Zeit nehmen, wie sie
brauchen. Alles, auch die winzigste Kleinigkeit, könnte entscheidend sein.«
»Heiliger
Bimbam«, hauchte Carmel. »Das ist genau wie im Fernsehen, nicht? Wahnsinn.«
In Pubs
und Küchen und Wohnzimmern überall um uns herum redeten die Leute bereits: Sie
dachten zurück, kramten Erinnerungen hervor, suchten nach Unterschieden und Widersprüchen,
bündelten alles, um daraus unzählige Theorien zu filtern. In meinem Viertel ist
Tratschen ein Wettkampfsport auf olympischem Niveau, und ich lehne Tratsch auf
keinen Fall ab, sondern ich ehre ihn aus ganzem Herzen. Wie ich schon zu Rocky
sagte, Informationen sind Munition, und inzwischen war garantiert jede Menge
scharfe Munition im Umlauf, zusammen mit den Blindgängern. Ich wollte, dass
der ganze schöne Tratsch sich darauf konzentrierte, die scharfen Patronen ans
Licht zu holen, und ich wollte sicherstellen, dass sie bei mir landeten, so
oder so.
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