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French, Tana

French, Tana

Titel: French, Tana Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sterbenskalt
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Küche in Schnarchen. Shay schlich
sich hinein und kam mit den spitzen Messern wieder. In der Nacht ging keiner
von uns ins Bett.
    Irgendwer
hatte Dad in der Woche einen Job gegeben: vier Tage Wände verputzen, kein
Grund, dem Arbeitsamt Meldung zu machen. Er war mit dem zusätzlichen Geld in
den Pub gegangen und hatte sich so viel Gin gegönnt, wie er in sich
reinschütten konnte. Wenn mein Dad Gin trinkt, fängt er an, sich selbst
leidzutun, und wenn mein Dad sich selbst leidtut, wird er gemeingefährlich. Er
war zurück zum Place getorkelt und hatte vor dem Haus der Dalys seine kleine
Nummer abgezogen, gebrüllt, Matt Daly solle rauskommen und kämpfen, bloß
diesmal war er einen Schritt weiter gegangen. Zuerst hatte er sich gegen die
Haustür geschmissen, und als er dadurch nur wie ein nasser Sack auf den Stufen
landete, hatte er sich einen Schuh ausgezogen und angefangen, damit nach dem
Fenster der Dalys zu werfen. In diesem Moment waren Ma und Shay aufgetaucht und
hatten versucht, ihn nach Hause zu bugsieren.
    Normalerweise
verkraftete Dad die Nachricht, dass sein Abend zu Ende war, ganz gut, aber in
der Nacht hatte er noch reichlich Sprit im Tank. Alle auf der Straße,
einschließlich Kevin und Jackie, hatten von ihren Fenstern aus zugeschaut,
wie er Ma als vertrocknete alte Fotze beschimpfte und Shay als nichtsnutzige
kleine Schwuchtel und Carmel, die rauskam, um zu helfen, als dreckige Hure. Ma
hatte ihn einen Tagedieb genannt und ein Tier und gebetet, er würde elendiglich
krepieren und in der Hölle schmoren. Dad hatte allen dreien gedroht, sie
sollten ihn loslassen, sonst würde er ihnen die Gurgel durchschneiden, wenn sie
schliefen. Und derweil hatte er sein Äußerstes getan, um sie windelweich zu
prügeln.
    Das alles
war an und für sich nichts Neues, aber bis dahin hatte er sich immer in den
eigenen vier Wänden ausgetobt. Dass er diese Grenze überschritten hatte, war
für uns alle wie ein Sturz in den Abgrund. Carmel sagte, mit einer dünnen,
ausdruckslosen, endgültigen Stimme: »Es wird schlimmer mit ihm.« Niemand sah
sie an.
    Kevin und
Jackie hatten zum Fenster hinausgeschrien, Dad solle aufhören, Shay hatte sie
angeschrien, sie sollten reingehen, Ma hatte sie angeschrien, es wäre alles
ihre Schuld, weil sie ihren Dad zum Trinken trieben, Dad hatte sie angeschrien,
ihnen würde ganz schön was blühen, wenn er nach oben käme. Schließlich hatte irgendwer
- und die Harrison-Schwestern hatten als Einzige in der Straße ein Telefon -
die Polizei angerufen. Das war genauso tabu, wie kleinen Kindern Heroin zu
geben oder im Beisein eines Priesters zu fluchen. Meine Familie hatte es
geschafft, die Harrison-Schwestern so weit zu treiben, dass sie das Tabu
brachen.
    Ma und
Carmel hatten die Uniformierten angefleht, Dad nicht mitzunehmen - welche
Schande —, und die hatten sich netterweise erweichen lassen. Damals war
häusliche Gewalt in den Augen vieler Polizisten ungefähr das Gleiche, wie wenn
jemand seine eigene Wohnung verwüstete: eine blöde Idee, aber wahrscheinlich
kein Verbrechen. Sie hatten Dad die Treppe hochgeschleppt, in der Küche auf den
Boden fallen lassen und waren gegangen.
    Jackie
sagte: »Das war wirklich schlimm.«
    Ich sagte:
»Ich hab gedacht, das hätte für Rosie den Ausschlag gegeben. Ihr Leben lang
hat ihr Dad sie gewarnt, was die Mackeys für eine Bande dreckiger Wilder sind.
Sie hat nicht auf ihn gehört, sie hat sich in mich verliebt, sie hat sich
gesagt, ich bin anders. Und dann, ausgerechnet, als sie kurz davor ist, ihr
ganzes Leben in meine Hände zu legen, ausgerechnet, als jeder winzige Zweifel
in ihrem Kopf tausendmal größer sein muss als normalerweise, treten die Mackeys
den lebenden Beweis für Daddys Standpunkt an: Sie ziehen für die ganze
Nachbarschaft eine Show ab, brüllen und krakeelen und beißen und raufen sich
wie ein Rudel Paviane auf Speed. Da musste sie sich doch fragen, wie ich wohl
hinter verschlossenen Türen war. Sie musste sich fragen, ob ich nicht tief in
mir drin genauso war. Sie musste sich fragen, wie lange es wohl dauern würde,
bis das aus mir herausbrach.«
    »Deshalb
bist du weggegangen. Auch ohne sie.«
    Ich sagte:
»Ich fand, ich hatte den Preis für meine Flucht bezahlt.«
    »Ich hab
mich das immer gefragt. Warum du nicht einfach nach Hause gekommen bist.«
    »Wenn ich
das Geld gehabt hätte, hätte ich den nächsten Flieger nach Australien genommen.
Je weiter, desto besser.«
    Jackie
fragte: »Gibst du ihnen noch immer die Schuld?

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