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French, Tana

French, Tana

Titel: French, Tana Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sterbenskalt
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hinten, im Garten, er, er ...«
    Ihre
Stimme löste sich wieder auf. Sie schluchzte und hyperventilierte gleichzeitig.
Ich sagte: »Jackie, hör zu. Du musst dich hinsetzen, etwas trinken, und es soll
sich jemand um dich kümmern. Ich bin unterwegs.«
    Ich hatte
meine Jacke schon halb an. In der Undercoverabteilung fragt niemand, wo du
heute Morgen gewesen bist. Ich legte auf und lief los.
     
    Und da war
ich wieder, zurück am Faithful Place, als wäre ich nie weg gewesen. Beim ersten
Mal hatte die Straße mich zweiundzwanzig Jahre lang laufenlassen, ehe sie mit
einem Ruck fest an der Leine zog. Das zweite Mal hatte sie mir sechsunddreißig
Stunden gewährt.
    Die
Nachbarschaft war wieder draußen, genau wie am Samstagnachmittag, doch diesmal
war es anders. Die Kinder waren in der Schule, und die Erwachsenen arbeiteten,
daher bestanden die Schaulustigen aus alten Leuten und Nur-Hausfrauen und
Arbeitslosen, dick eingepackt gegen die schneidende Kälte, und es lief niemand
vergnügt herum. Alle Treppen vor den Haustüren und alle Fenster waren
pickepackevoll mit ausdruckslosen, wachsamen Gesichtern, doch die Straße war
leer bis auf meinen alten Freund, den Provinzler, der auf und ab marschierte,
als würde er den Vatikan bewachen. Die Uniformierten waren diesmal schneller
gewesen und hatten alle weggescheucht, ehe sich die Stimmung gefährlich hochschaukeln
konnte. Irgendwo schrie ein Baby, doch ansonsten herrschte Totenstille, nichts
außer dem weit entfernten Verkehrsrauschen und dem Schuhgeklapper des
Provinzlers und dem langsamen Tröpfeln des morgendlichen Regens in den
Rinnsteinen.
    Diesmal
kein Van von der Kriminaltechnik, kein Cooper, aber zwischen dem Streifenwagen
und dem Leichenwagen stand Rockys schnittiger silberner BMW. Nummer 16 war erneut
mit Flatterband abgesperrt, und ein kräftiger Bulle in Zivil - einer von Rockys
Jungs, dem Anzug nach zu schließen - hielt davor Wache. Was immer Kevin
umgebracht hatte, es war kein Herzinfarkt gewesen.
    Der
Provinzler ignorierte mich, was eine gute Entscheidung war. Auf den Stufen von
Nummer 8 standen Jackie, meine Ma und mein Dad. Ma und Jackie stützten sich
gegenseitig. Sie sahen aus, als würden sie beide zusammenbrechen, wenn eine von
ihnen sich auch nur einen Zentimeter bewegte. Dad zog grimmig an einer
Zigarette.
    Als ich
näher kam, richteten sich ihre Augen langsam auf mich, doch ohne ein
erkennendes Flackern. Sie blickten mich an, als hätten sie mich noch nie
gesehen. Ich sagte: »Jackie. Was ist passiert?«
    Dad sagte:
»Du bist zurückgekommen. Das ist passiert.«
    Jackie
packte meine Jacke vorn mit einem Klammergriff und presste das Gesicht fest
gegen meinen Arm. Ich unterdrückte den Impuls, sie von mir wegzustoßen.
»Jackie, Mäuschen«, sagte ich sanft. »Du musst dich bloß noch ein wenig länger
zusammenreißen, mir zuliebe. Rede mit mir.«
    Sie hatte
angefangen zu zittern. »Oh, Francis«, sagte sie, mit einer nadelfeinen,
verwunderten Stimme. »Oh, Francis. Wie ...?«
    »Ich weiß,
Mäuschen. Wo ist er?«
    Ma sagte
finster: »Er ist hinten im Garten von Nummer sechzehn. Draußen im Regen, den
ganzen Morgen.« Sie stützte sich schwer auf das Geländer, und ihre Stimme klang
belegt und gepresst, als hätte sie stundenlang geschluchzt, aber ihre Augen
waren scharf und trocken.
    »Wissen
wir ungefähr, was passiert ist?«
    Niemand
sagte etwas. Mas Mund bebte.
    »Okay«,
sagte ich. »Aber wissen wir hundertprozentig, dass es Kevin ist?«
    »Ja,
wissen wir, du Trottel«, blaffte Ma. Sie sah aus, als wollte sie mir jeden Augenblick
eine runterhauen. »Glaubst du, ich erkenne mein eigen Fleisch und Blut nicht?
Bist wohl nicht ganz dicht im Kopf, was?«
    Ich
überlegte kurz, sie von den Stufen zu schubsen. »Alles klar«, sagte ich. »Gut.
Ist Carmel auf dem Weg hierher?«
    »Carmel
kommt«, sagte Jackie. »Und Shay kommt. Er muss, er muss, er muss bloß ...«
    Ihre Worte
verebbten. Dad sagte: »Er wartet, bis sein Boss ihn im Laden ablösen kommt.« Er
warf seinen Zigarettenstummel über das Geländer und sah zu, wie die Glut vor
dem Kellerfenster zischend erlosch.
    »Gut«,
sagte ich. Ich würde Jackie auf gar keinen Fall mit den beiden allein lassen,
aber sie und Carmel konnten aufeinander aufpassen. »Ihr müsst nicht hier
draußen in der Kälte warten. Geht rein, trinkt was Heißes, und ich seh mal
nach, was ich rausfinden kann.«
    Niemand
rührte sich. Ich löste Jackies Finger von meiner Jacke, so sanft ich konnte,
und ließ die drei stehen.

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