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French, Tana

French, Tana

Titel: French, Tana Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sterbenskalt
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darüber nachdenken?«
    »Nee«,
sagte ich und schnippte meine Zigarette weg. »Wenn Sie sich nicht hier und
jetzt entscheiden können, brauchen Sie sich gar nicht zu entscheiden. Ich habe
noch anderweitig zu tun und Sie sicherlich auch. Die Sache ist die, Stephen: In
den nächsten paar Wochen können Sie Rocky Kennedys Schreibkraft sein, oder Sie
können mein Detective sein. Was von beidem hört sich für Sie mehr danach an,
weshalb sie zur Polizei gegangen sind?«
    Stephen
nagte an seiner Lippe und wickelte sich das Ende seines Schals um die Hand.
»Falls ich es mache«, sagte er. »Falls. Was würden Sie dann wissen wollen? Nur
als Beispiel.«
    »Nur als
Beispiel, wenn die Fingerabdruckergebnisse vorliegen, würde ich liebend gern
hören, ob Abdrücke auf dem Inhalt des Koffers gefunden wurden, auf den zwei
Hälften des Briefes und an dem Fenster, aus dem Kevin gefallen ist, und falls
ja, wessen Abdrücke das sind. Ich würde mich auch für eine ausführliche
Beschreibung seiner Verletzungen interessieren, möglichst inklusive Graphik
und Obduktionsbericht. Das würde mir an Infos genügen, um eine Weile weiterzumachen.
Wer weiß, vielleicht wäre das ja auch schon alles, was ich brauche. Und beide
Berichte müssten doch innerhalb der nächsten zwei Tage vorliegen, nicht?«
    Nach einem
Augenblick atmete Stephen langsam aus, eine weiße Fahne in der kalten Luft, und
hob den Kopf. »Nichts für ungut«, sagte er, »aber bevor ich
Insiderinformationen in einem Mordfall an einen Wildfremden weitergebe, möchte
ich gern Ihren Ausweis sehen.«
    Ich lachte
schallend auf. »Stephen«, sagte ich, während ich meinen Ausweis herausfischte,
»Sie sind ein Mann nach meinem Geschmack. Wir werden uns gegenseitig guttun,
Sie und ich.«
    »Ja«,
sagte Stephen, ein wenig trocken. »Hoffentlich.« Ich betrachtete seinen
unordentlichen roten Haarschopf, der sich über den Ausweis beugte, und eine
kurze Sekunde lang spürte ich unter dem triumphierenden lauten Pochen meines
Herzens - Leck mich am Arsch, Rocky, alter Knabe, der Junge gehört
jetzt mir - eine impulsive Zuneigung zu dem Burschen. Es war ein gutes
Gefühl, jemanden auf meiner Seite zu haben.
     
    12
     
    und länger konnte ich es nun wirklich nicht mehr aufschieben,
zu meinen Eltern zu gehen. Ich versuchte, mich dafür bei Burdock zu stärken -
der Gedanke an Leo Burdocks Fish & Chips-Laden war das Einzige, was mich
hätte verlocken können, wieder in die Liberties zu ziehen -, doch selbst der
beste geräucherte Kabeljau mit Pommes schafft nicht alles. Wie die meisten verdeckten
Ermittler neige ich nicht zur Ängstlichkeit. Ich bin schon, ohne ins Schwitzen
zu geraten, zu Treffen mit Männern spaziert, die fest vorhatten, mich in
handliche Teile zu zerlegen und unter dem nächstbesten Stück Beton künstlerisch
zu arrangieren. Jetzt jedoch machte ich mir vor Angst fast in die Hose. Ich
sagte mir das Gleiche, was ich dem jungen Stephen gesagt hatte: Betrachte es
als Undercovereinsatz. Frankie, der unerschrockene Detective, auf seiner verwegensten
Mission, mitten hinein ins Verderben.
    Die
Wohnung war wie verwandelt. Die Haustür war unverschlossen, und kaum hatte ich
den Flur betreten, kam die Welle die Treppe heruntergerollt und erfasste mich:
Wärme und Stimmen und der Geruch von heißem Whiskey und Gewürznelken, alles
quoll aus der offenen Wohnungstür. Die Heizung war hochgedreht, und das
Wohnzimmer war voll mit Leuten, die weinten, einander umarmten, die Köpfe zusammensteckten
und den ganzen Horror gemeinsam genossen, Sixpacks trugen oder Babys oder
Teller mit Schnittchen unter Frischhaltefolie. Sogar die Dalys waren da. Mr
Daly wirkte höllisch angespannt, und Mrs Daly wirkte, als hätte sie irgendwelche
besonders starken Glückspillen eingeworfen, aber der Tod drängt alles andere in
den Hintergrund. Ich hielt augenblicklich und automatisch nach Dad Ausschau,
doch er und Shay und ein paar andere hatten eine Männerzone in der Küche
eingerichtet, mit Zigaretten und Bierdosen und einsilbigen Gesprächen, und
bisher machte er einen ganz guten Eindruck. Auf einem Tisch unter der Herz-Jesu-Statue,
zwischen Blumen und Totenbildchen und elektrischen Kerzen, standen Fotos von
Kevin: Kevin als pummeliges, rotwurstiges Baby, in einem schicken weißen
Miami-Vice-Anzug bei seiner Firmung, an einem Strand mit einer Horde
lautstarker, sonnengegrillter Jungs, die schrille Cocktails schwangen.
    »Da bist
du ja«, blaffte Ma und stieß mit dem Ellbogen jemanden aus dem Weg. Sie

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