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French, Tana

French, Tana

Titel: French, Tana Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sterbenskalt
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brach in Tränen aus und drückte mich
an ihren Atombusen -, den neuen Familien meiner alten Freunde sowie den vier
ungemein verwirrten chinesischen Studenten, die unten wohnten und
zusammengedrängt an einer Wand standen, jeder höflich eine unangetastete Dose
Guinness in der Hand, und sich alle Mühe gaben, das Ereignis als eine kulturell
lehrreiche Erfahrung zu betrachten. Ein Mensch namens Waxer schüttelte mir
geschlagene fünf Minuten die Hand, während er sich verklärt daran erinnerte,
wie er und Kevin mal zusammen beim Ladendiebstahl erwischt worden waren — sie
hatten Comics geklaut. Jackies Gavin boxte mir unbeholfen gegen den Arm und
murmelte irgendwas Tiefempfundenes. Carmels Kinder betrachteten mich mit einem
vierfachen blauäugigen Blick, bis die Zweitjüngste - Donna, die stets gut
aufgelegt war, wie alle immer sagten — in lautes, hicksiges Schluchzen
ausbrach.
    Sie waren
noch der leichteste Teil. Praktisch jedes Gesicht meiner Vergangenheit befand
sich hier im Raum: Kinder, mit denen ich mich gebalgt hatte und zur Schule
gegangen war, Frauen, die mir eins auf den Hintern gegeben hatten, wenn ich
über ihre frisch gewischten Fußböden gelaufen war, Männer, die mir Geld gegeben
hatten, damit ich zum Laden lief und ihnen ihre zwei Zigaretten kaufte;
Menschen, die mich anblickten und den kleinen Francis Mackey sahen, der durch
die Straßen stromerte und wegen seiner großen Klappe von der Schule suspendiert
wurde, wartet's nur ab, er endet noch genauso wie sein Dad. Keiner sah noch so
aus wie früher. Alle sahen sie aus wie die oscarreife Leistung eines
Maskenbildners, Hängebacken und dicke Bäuche und Stirnglatzen, ungeniert über
die wahren Gesichter gelegt, die ich kannte. Jackie steuerte mich auf sie zu
und flüsterte mir Namen ins Ohr. Ich sagte ihr nicht, dass ich mich sehr wohl
erinnerte.
    Zippy
Hearne schlug mir auf den Rücken und sagte, ich sei ihm einen Fünfer schuldig:
Er hatte Maura Kelly schließlich doch noch ins Bett gekriegt, auch wenn er sie
dafür hatte heiraten müssen. Linda Dwyers Ma achtete darauf, dass ich ein paar
von ihren besonderen Schnittchen mit Ei aß. Ich bemerkte den ein oder anderen
komischen Blick quer durch den Raum, aber alles in allem hatte Faithful Place
beschlossen, mich mit offenen Armen willkommen zu heißen. Anscheinend hatte
ich mich übers Wochenende klug genug angestellt, und eine ordentliche Portion
Trauer hilft immer, erst recht wenn sie kräftig mit Skandal gewürzt ist. Eine
der Harrison-Schwestern - auf Hollys Größe geschrumpft, aber wundersamerweise
noch am Leben - packte mich am Ärmel und stellte sich auf die Zehenspitzen, um
mir, so laut es ihre schwache Lunge erlaubte, zu sagen, dass aus mir ein recht
stattlicher Mann geworden sei.
    Als es mir
endlich gelang, mich von allen loszueisen und mit einem schönen kalten Bier in
eine unauffällige Ecke zu flüchten, kam ich mir vor, als hätte ich eine Art von
surrealem Psycho-Spießrutenlauf absolviert, der sorgsam inszeniert worden war,
um mich in einen unheilbaren Zustand der Verwirrung zu versetzen. Ich lehnte
mich mit dem Rücken gegen die Wand, drückte mir die Bierdose an den Hals und
versuchte, jeden Blickkontakt zu vermeiden.
    Die
Stimmung im Raum hatte sich hochgeschaukelt, wie das bei Totenfeiern schon mal
vorkommt: Alle waren vom Schmerz erschöpft, sie mussten verschnaufen, ehe sie
weitertrauern konnten. Die Lautstärke stieg, immer mehr Leute drängten in die
Wohnung, und eine Gruppe von jungen Männern in meiner Nähe brach in Gelächter
aus: »Und in dem Moment, wo der Bus losfährt, beugt Kev sich oben aus dem
Fenster, hält sich so ein Verkehrshütchen vor den Mund und brüllt den Bullen
durch das Ding zu, >Kniet nieder vor Zod!< ...« Irgendwer hatte den
Couchtisch verschoben, um vor dem Kamin Platz zu schaffen, und jemand anders
zog Sallie Hearne rüber, damit sie ein Lied anstimmte. Sie zierte sich - das
gehörte dazu -, doch sobald jemand ihr einen Schluck Whiskey zum
Kehle-Anfeuchten gereicht hatte, ging's los: »There
were three lovely lassies from Kimmage«, und der halbe Raum fiel in den
Refrain mit ein: »From Kimmage ...« Auf jeder
Feier meiner Kindheit war das gemeinsame Singen genauso losgegangen, und jedes
Mal hatten ich und Rosie und Mandy und Ger uns irgendwann unter Tischen
versteckt, um nicht mit den anderen Kindern ins Gemeinschaftsbett in Gott weiß
wessen Schlafzimmer zu müssen. Mittlerweile war Ger so kahlköpfig, dass ich
meine Rasur in seiner Glatze

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