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Fressen ihn die Raben - Alpen Krimi

Titel: Fressen ihn die Raben - Alpen Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Prolibris Verlag Rolf Wagner
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sie sich nach vorn. Das dunkle Haar, die Statur, irgendwie kam ihr die Person bekannt vor. Sie war sich sicher, dass da, kaum erkennbar und klein, eine Frau eine der Holzhütten verließ. Sie schlug nicht den Weg zum Koglerhaus ein, sondern ging mit ausholenden Schritten in die entgegengesetzte Richtung tiefer ins Tal. Elke sah, wie sie sich mehrmals umsah, plötzlich an einer Bodenfalte hielt und sich niederhockte. Na, da muss ich jetzt nicht zuschauen, dachte sie, als sie im Wegsehen noch bemerkte, wie die Frau in der Hocke etwas Weißes, es moch ten Papierblätter sein, unter ihrer dunkelblauen Jacke hervorholte und einen längeren Blick darauf warf. Die Kommissarin auf Heimatflucht sah wieder genauer hin. Doch bevor sie die Szenerie verstand, hatte die Beobachtete die Papiere wieder in ihrer Kleidung verstaut und ging in Richtung des bewaldeten Talrandes. Merkwürdig, dachte Elke und packte die Thermoskanne ein. In einer der Hütten soll doch dieser Gastronomie-Kritiker wohnen, der die Gundi gegen sich aufgebracht hat. Na, es wird sicher eine Erklärung geben.
    Auf dem abschüssigen Pfad, der sie vom kegeligen Gipfel des Viehkogels hinunterführte, blickte sie ein letztes Mal in Richtung Talrand. Sie war sich sicher. Das da unten war die Wirtin vom Kog ­lerhaus gewesen. Und ihr Gefühl sagte Elke, dass sie als Polizistin zugeschaut hatte.

Rucksack
    Die abgearbeiteten Hände lagen ineinander und wippten leicht während des Gehens. Langsam näherte sich die weibliche Gestalt dem See. Immer wieder bückte sie sich, zupfte Blätter aus Gras und Büschen und barg sie in der Kitteltasche. Der Weg führte um den See herum, über ein sumpfiges Stückchen Wiese und endete an der ersten Holzhütte. Verzagt legten sich die rauen Finger auf die Lippen. Blicke suchten die Gegend ab. Zögernd kam die Frau der schwarz geflämmten Holzwand näher. Die Atmung wurde heftiger. Mit unsicherem Gang tastete sie sich weiter vorwärts. Als ihre Hand die Holztür erreicht hatte, klopfte sie und führte ergeben die Hände zueinander. Dann stellte sie überrascht fest, dass die Tür nicht verschlossen war, sondern ihrer Berührung nachgegeben hatte.
    »Hallo?«, rief sie verhalten, wie um sich anzukündigen und doch keine Aufmerksamkeit erregen zu wollen. Um sie herum blieb es still.
    Die Füße tasteten sich vorwärts, leise ächzten die Dielen. Als sie sich erneut an der Wand abstützte, zitterte ihr Arm. Ihr ganzer Körper stand unter Spannung, das Atmen fiel ihr schwer.
    Die kleine Hütte hatte nur zwei Räume. Der Vordere war eine Art Stube mit einem Tisch und einer Holzbank. Auf ihr lag ein ausgerollter Schlafsack, dort schien jemand geschlafen zu haben. An der Holzwand hingen Regalbretter mit wenigen Tellern, Gläsern und anderem, zusammengesuchtem Hausrat. Ohne sich genau umzublicken, ging sie in den zweiten Raum. Hier stand die Schnapsbrennerei. Ein großer, leerer Maischebottich, die Kupferspirale mit dem zylindrigen Behälter und den Zeigergehäusen schimmerte im morgendlichen Licht, das von der Talseite her durch das Fensterchen fiel.
    Am Boden standen Glasballons ohne Inhalt, und auf einem Hocker lag eine lässig gefaltete Schürze. Viel mehr gab es hier nicht zu sehen. Sie ging zurück in die Stube. Ein aufgeschlagenes Buch, ein Roman, und ein Reisewecker, Weckzeit sechs Uhr, lagen auf dem Tisch. In der Ecke neben dem Eingang sah sie einen grö ßeren Rucksack, der Platz für einige Tage Kleidung bot. Ein altertümliches Teil aus grünem Segeltuch und Lederriemen, der Deckel war aus braunem Fell. Stück für Stück holte sie Unterwäsche und Hemden, eine angebrochene Tafel Halbbitterschokolade, eine ältliche Spiegelreflexkamera und eine Brieftasche hervor. Dabei horchte sie immer wieder in die Stille des Tals hinein. Die Hüttentür stand offen und gab den Blick auf den See und das entfernte Koglerhaus frei.
    Sie öffnete die Brieftasche. Bilder fielen ihr entgegen. Zuerst waren es nur Fotos eines Paares, das vor einem Wald und einer gebo genen Steinbrücke auf karstigem, sonnigem Grund in die Kamera lächelte. Sie erkannte den Gastronomie-Kritiker, der den Tag zuvor an der Küchenausgabe so unverschämt geworden war. Schon damals hatte sie sich erschreckt und nicht fassen können, ihn zu sehen. Die schöne Begleiterin an seiner Seite wirkte zehn Jahre jünger, war dunkelhaarig. Die braunen Augen über dem runden Kinn und einer leicht gebogenen Nase sahen den Fotografen scharf an, auch wenn die Lippen freundlich

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