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Fressen ihn die Raben - Alpen Krimi

Titel: Fressen ihn die Raben - Alpen Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Prolibris Verlag Rolf Wagner
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ankam, sah sie die Wandergruppe von ferne auf sich zukommen. Zielstrebig ging sie zur Küchenausgabe und fragte nach einem Becher Kaffee und einem lauwarmen Apfelstrudel.
    »Mit Vanillesauce, so ist’s Recht«, bestärkte die Wirtin sie ungefragt aus dem Hintergrund des gekachelten Raums. »Wer den ganzen Tag hier droben wandert, der kann sich auch belohnen. Das passt schon.« Elke nickte, nahm Teller und Kaffeepott von der geschäftigen Küchenhilfe in Empfang und sah sich Gundi, die dahinterstand, genauer an. Das Haar, die Figur, ja, sie könnte die Wirtin vom Gipfel aus gesehen haben. Bloß die blaue Jacke fehlte.
    »Wo bist denn gewesen«, fragte die Küchenkraft, eine nicht ganz dreißigjährige Frau mit braunem, gewelltem Kurzhaarschnitt und einem sommersprossigen Gesicht. An einem Ohr trug sie einen silbernen Ring, der mit Türkisen und Korallen besetzt war.
    »Am Viehkogel. Ein ruhiger Tagesausflug mit herrlichem Blick aufs Haus und den See, auf der Karte ist der Weg gar nicht nummeriert«, erwiderte Elke, die neugierig war, wie darauf die Antwort ausfallen würde.
    »Ja, das sind ja nur zwei Stunden hinauf, und verlaufen kannst dich gar nicht. Was hast denn den Rest gemacht?«
    »Gell, die Moni kennt sich aus«, meinte Gundi und stellte sich daneben. »Wennst einen Rat brauchst, wo du wie am Schönsten wandern kannst heroben, dann fragst sie. Die ist eine echte Gams, die weiß hier jeden Weg.« Die so Gelobte drehte sich weg und zog sich in den Nebenraum der Küche zurück, dort, wo gespült wurde. Elke sah ihr nach.
    »Sag mal, die Brennereihütten am See, wohnt da einer?«, wollte sie von Gundi wissen.
    »Ja, der Wiesbeil. Ein sogenannter Gastronomie-Kritiker. Ein echtes Gscheiderl ist der Kerl, wennst mich fragst. Aber den hab ich heute noch gar nicht gesehn. Warum fragst du? Seit gestern hab ich ihm Hausverbot erteilt, zum Essen sehen wir den hier nicht mehr, das kannst glauben.«
    In diesem Augenblick wurde die Haustür aufgestoßen und die Gruppe Wanderer, die Elke auf ihrem Weg zum Haus gesehen hatte, betrat die Vorhalle. Sie nahm den Kaffeebecher samt Strudel und flüchtete vor dem zu erwartenden Durcheinander hinaus. Draußen sah sie sich kurz um. Rechts neben der Terrasse, absei tig gelegen, gab es unterhalb des Stubenfensters zum See hin ei ne rohe Bank mit Tisch. Dort, die Holzwand im Rücken, setzte sie sich und genoss die Illusion, allein auf einer Almhütte zu sein. Weitere Menschen waren nicht zu sehen, nur der Funtensee in der grasigen Senke unter ihr und der Wald zu Füßen der Berge. Noch war die Luft durch die Nachmittagssonne erwärmt. Tief atmete Elke ein und lauschte der Stille. Die Harmonie dieses Augenblicks wollte sie bewahren und schloss ihn bewusst in ihr Herz. Eines der inneren Bilder, die ihr teuer waren. Über die selbstvergessene Betrachtung der Bergwelt in weichem Licht war sogar der Kaffee kalt geworden. Angewidert schob sie den Becher von sich. Den Strudel allerdings genoss sie, das Stück Alpenküche machte den Moment für sie perfekt.
    Während sie ein entfernt wachendes Murmeltier beobachtete, wie es auf einem Grashügel stand und durchs Tal blickte, hörte Elke von links kommend Schritte über Schottersteine. Ich bin eben doch nicht allein hier, dachte sie und verabschiedete sich von ihrer Einsiedel-Illusion. Dabei schob sie unbewusst die Unterlippe nach vorne.
    »Na, ziehst du wegen mir einen Flunsch?«
    Elke zuckte am ganzen Körper zusammen und riss den Blick nach links. Der Schreck ließ sie sogar durch eine heftige Armbewegung den Kaffeebecher umwerfen.
    »Mein Gott, Manfred, hast du mich erschreckt. Wie kommst du denn hier rauf. Damit hab ich ja zu allerletzt gerechnet.« Sie sah zu dem fünfundvierzigjährigen Mann mit schwarzem Haar und Schnäuzer auf, der direkt neben ihr stand, und wich ihm etwas nach rechts aus.
    Der missverstand die Geste und setzte sich zu ihr. Als er ihr den Arm um die Schultern legen wollte, schüttelte sie ihn energisch ab.
    »Na das ist aber keine liebevolle Begrüßung«, warf Manfred seiner ehemaligen Geliebten vor, von der er sich vor wenigen Tagen erst getrennt hatte.
    Die sah überrascht und ratlos geradeaus über den See hinweg. Gerade hatte sie begonnen, sich mit der Trennung abzufinden. Si cher, da kam immer wieder Wehmut auf, trotzdem. Er hatte sie an diesem Eifel-See stehen lassen. Nichts hatte sie geahnt, war vollkommen überrumpelt worden. Seine Familie war ihm auf einmal wichtiger geworden. Es hatte kein Gespräch gegeben.

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