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Fressen ihn die Raben - Alpen Krimi

Titel: Fressen ihn die Raben - Alpen Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Prolibris Verlag Rolf Wagner
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lächelten. Die Frau auf dem Bild war ihr bekannt, aber mehr durch Bilder der Klatschpresse. Sie erinnerte an eine grausame Zeit.
    Beim Betrachten der Fotografien zitterten ihr die Hände, das Herz schlug bis zum Hals. Sie musste schlucken und hatte Angst vor dem, was sie noch sehen sollte. Sie versank völlig in den geweckten Erinnerungen. Das letzte Winken ihres Ältesten, die sorgenvollen Augen ihres Mannes. Dann war der Bus vorgefahren. Die Soldaten ... Sie blätterte den Fotostapel weiter, den Blick voller Tränen. Ein Schluchzer entfloh der verkrampften Brust. Sie sah die feldgrauen Uniformen, die roten Barette. Stolz in die Kamera lächelnde, junge Männer, voller Kraft und Lebensfreude. Den Soldaten im Halbprofil, dem sie zulachten, kannte sie auch. Es war der Bruder der schönen Frau neben dem Gastronomie-Kritiker. Ein Fluch zischte über ihre Lippen. Tränenverschleiert sah sie zur Tür hinaus ins Tal, auf den See. Klagend atmete sie ein und zwang sich, den Rest der Bilder anzusehen. Andere, unbekannte Soldaten, wieder die feine Dame, einmal sogar Arm in Arm mit ihrem Bruder in Uniform. Die kleinen Ordensspangen an seiner Brust leuchteten in der Sonne. Auf einer war ein schwarzer Skorpion zu erkennen. Sie sah das Lachen in beiden Gesichtern und schrie kurz auf. Sofort verstummte sie, hielt sich eine Faust vor den Mund, wie um den Schrei noch zurückzuhalten, der ihr doch schon entwichen war. Die zuletzt gesehene Fotografie hielt sie zerknüllt zwischen den verkrampften Fingern vor ihre Lippen. Vor sich selbst erschrocken blätterte sie die Fotos zurück, nahm das Bild mit dem Halbprofil und steckte es samt dem zerknitterten Foto in die Kittelschürze. Dabei fühlte sie die Kühle der auf dem Weg zur Hütte gerupften Blätter. Ein paar Grashalme hingen noch in den Wollärmeln des Pullovers, den sie unter dem Kittel trug.
    Nach einem prüfenden Blick in den Raum zog sie die Hüttentür hinter sich zu. Der kleine See, an dessen Ufer sie entlangging, wirkte in seiner friedlichen Stille tröstend. Mit jedem Schritt, der zwischen sie und die Brennhütte kam, entfernte sie sich aus den Fängen einer Macht, die sie bis zur Atemlosigkeit ängstigte. Als ein Murmeltierpfiff durch das Tal hallte, musste sie sogar lächeln. Sie hob den Blick. Es sollte ein schöner Tag werden, der Himmel war wolkenlos, der Dunst hatte sich aufgelöst. Tau glitzerte im Gras.
    Auf halbem Weg zurück zum Koglerhaus sah sie sich noch einmal um. Der Weg, der links am See geradeaus ins Baumgärtel-Tal führte, brachte Besuch. Ein dunkelblauer Punkt erschien dort am Waldrand. Das war eine völlig ungewöhnliche Zeit. Zu früh für einen Wanderer aus einer der anderen Hütten oder nach einem Aufstieg im Salzburgischen. Der Besucher hätte sich noch im Dunkeln aufmachen müssen. Sie zog die Schultern ein und hatte begonnen zu zittern, denn sie fror. Im Weitergehen wusste sie, dass es nur zur Hälfte die Kälte war, die ihr zusetzte. Es war auch der Anspannung dort in der Almrauscher-Hütte und einer grausamen Vergangenheit geschuldet, dass sie fröstelte.

Strudel
    Elke setzte vorsichtig einen Fuß vor den anderen. Der Pfad war ausgewaschen und mit eingewachsenen Felsbrocken durchzogen. Sie war müde, und wenn sie jetzt nicht aufpasste, würde sie schnell umknicken. Sie ärgerte sich, so konzentriert auf den Boden sehen zu müssen, statt den Blick auf den Funtensee werfen zu können. In einiger Entfernung sah sie bunte Punkte, Wanderer, die ebenso wie sie dem Koglerhaus zustrebten. Gestern noch war sie denselben Weg gekommen. In sich hineinlächelnd dachte sie an die Erschöpfung und den sie umwehenden Schweißgeruch Huberts.
    Diesen Tag aber hatte sie ganz ohne weitere Menschen genossen, allein mit sich und der Natur. Hier oben braucht es niemanden, kam es ihr in den Sinn. Sie hielt an und lockerte, auf einem Bein stehend, die Muskulatur des anderen durch Hin-und-Her-Schlenkern. Im Berg ist Gottes Schöpfungskrone doch nur ein Störfaktor, schon optisch.
    Wieder musste Elke an die Beobachtung denken, die sie vom Gipfel des Viehkogels aus gemacht hatte. Ich werd mir die Schnapsbrennerei wohl mal ansehen müssen, dachte sie. Aber erst nach dem Strudel, auf den freue ich mich. Ich sollte vor den anderen Bergsteigern ankommen, kalkulierte sie. Zu viel Trubel an der Hütte verdirbt mir den Bergfrieden, jeder Augenblick stil ler Harmonie dort auf der Terrasse zählt. Elke marschierte beherz ter hinab.
    Als sie einige Zeit später am Koglerhaus

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