Fressen ihn die Raben - Alpen Krimi
bin Kripobeamtin auf Urlaub. Wollte meinen Kopf freibekommen von einem Mann.« Sie verzog den Mund, versuchte mit der Zungenspitze eine Fleischfaser zwischen den Zähnen zu lösen und verdrehte die Augen. »Hat aber nicht ganz geklappt. – Solltest du gehört haben, dass ich aus der Rechtsmedizin bin, vergiss es. Das hab ich erfunden, um meine Ruhe zu haben. Aber ich spiel eigentlich keine Rolle.« Sie fingerte in ihrer Jackentasche und zog einen Rechnungsbeleg hervor. »Von der Pension Riedeneiner, Schönau am Königssee. Ich hab da vor zwei Tagen eine Nacht verbracht. Das Haus kennst du bestimmt.«
»Da bin ich aufgewachsen, bei den Riedeneiners.« Moni öffnete die Flasche und goss den wasserhellen Brand ein. »Die Mama wird dir streng vorgekommen sein. Ist sie auch. – Auf den letzten Abend.« Sie prostete der Polizistin zu und leerte das Glas. Den Schnaps behielt sie noch einen Moment im Mund und genoss sein Brennen auf der Schleimhaut. Mundwarm und ölig rann er die Kehle hinunter.
Elke kippte den Williams-Christ hinunter, schluckte und schüttelte sich. »Ich fand sie irgendwie kalt, wenn ich das so sagen darf, oder verkrampft. Jedenfalls nicht lebensfroh. Das Haus war für mich eher zum Weglaufen.«
»Bin ich ja auch, hab ich das nicht erzählt? Ich hatte erfahren, dass ich nicht zur Familie gehöre«, erklärte Moni. Elke wunderte sich inzwischen, dass die auf ihre Selbstenttarnung als Polizistin überhaupt nicht reagiert hatte.
»Und dann bist du mit achtzehn in Sikkim, autonome Region in Nordindien, gelandet. Das hast du schon gesagt. Du kannst dir bestimmt denken, dass ich mich mit dir über den Tod von Heinz-Gerd Wiesbeil unterhalten will?« Elke hatte sich an die Schindelwand in ihrem Rücken gelehnt und begonnen, den Nachtisch zu löffeln. Sie ließ Moni nicht aus den Augen. »Weißt du eigentlich was über deine leibliche Mutter?«, wollte sie wissen.
»Sekretärin war sie, hat mich nicht behalten können.«
»Schwer zu verstehen, du musst ein süßes Kind gewesen sein. Sie hat in der Stuten-Brauerei gearbeitet?« Die Küchenhilfe nickte und sah dabei interessiert in das Gesicht der Polizistin. »Und der Vater? Gibt’s da Informationen für dich?« Moni ließ ihren Blick zu Boden sinken.
»Weißt du, ich mag es zu beobachten und zu spekulieren. Dich fand ich die ganze Zeit über sehr interessant. Ich hab mich umge tan, unten in Berchtesgaden. Deine Mutter hatte als junge Frau je manden, der ihr den Hof machte. Wusstest du das?« Moni zeigte keine Reaktion. »Ich denke schon. Alles läuft da auf den Münchner Fasching 1980 zu. Wann bist du geboren? Neun Monate später, nicht?«
»Was willst du von mir?« Sie klopfte sich nervös auf die Oberschenkel, dann blickte sie trotzig auf. »Auf die Welt zu kommen, ist kein Verbrechen.«
Elke leckte die Vanillesauce vom Löffel und stellte das Geschirr ineinander. »Du hast eine gute Wahl für mich getroffen. Das war lecker.« Sie sah Moni an und ließ eine Pause entstehen, bevor sie weitersprach. »Ich denke, du weißt, wer dein Vater ist. Mir ist nur nicht klar, woher. Jemand aus der Brauerei deiner Mutter konnte sich an einen Wirt erinnern, der immer vorbeikam. Wie gesagt, bis 1980. Deinem Geburtsjahr. Dich weggeben zu müssen, wird ihr schwergefallen sein. Über die Gründe können wir nur spekulieren. Aber du warst nicht ehelich. Und Magdalena Ziesen mit ihren 25 Jahren, wie wird das für sie gewesen sein? War es die Schande, oder Überforderung, die sie fürchtete? Wie hast du überhaupt von ihr erfahren?« Monis Backenmuskeln zuckten, ihr Mund war zu einem Strich zusammengepresst.
»Die Mama, also die Maria Riedeneiner, hat’s mir gesagt. Als ich volljährig wurde. Das war nach so einem dummen Streit, wie ihn Kinder und Eltern oft haben in dem Alter. Danach bin ich erst richtig ausgeflippt. Ihr habt’s mich belogen, die ganze Zeit; niemand will mich; ich bin ja gar nicht eure Tochter, so was in dem Stil. Da war große Verletztheit in mir. Ich glaub, sie hat es sofort bereut. Aber da war es raus.«
Elke schien ein Gedanke zu kommen. Sie hob den Zeigefinger und kramte in der Plastiktüte, die neben ihr auf der Bank lag. Mit einem Gesichtsausdruck, der Freude über etwas Wiedergefundenes zeigte, legte sie einen Bierdeckel auf den Tisch. Darauf war das Stutenbräu-Emblem. Monis Augen blickten unsicher.
»Hab ich mitgenommen, als Andenken. Die Marke wird in der Gaststätte gar nicht mehr geführt, trotzdem nutzt der Wirt das Pferdewappen noch
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