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Freuet Euch, Bernhard kommt bald!: 12 unweihnachtliche Weihnachtsgeschichten (German Edition)

Freuet Euch, Bernhard kommt bald!: 12 unweihnachtliche Weihnachtsgeschichten (German Edition)

Titel: Freuet Euch, Bernhard kommt bald!: 12 unweihnachtliche Weihnachtsgeschichten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harald Martenstein
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führten jede Menge Kriege und komponierten echt gute Musik. An einem Tag wollten sie alles plattmachen, am nächsten Tag waren sie sanft wie Lämmchen und spuckten mystische Ideen aus. Einmal hatte Ott einen völlig absurden Diktator designt, mit einem Bärtchen wie ein Strichcode, einer extrem schrillen Stimme und einem Agro-Level von zwanzig, da waren sie total aus dem Häuschen, wuselten wild durcheinander, killten alles, was sich bewegte und schossen mit Raketen, obwohl das in ihrer technischen Entwicklung noch gar nicht vorgesehen war.
    Garfield Ott dachte, wie jeder, den er kannte, manchmal darüber nach, ob seine eigene Zivilisation womöglich ebenfalls virtuell war. Er glaubte, dass sie dafür ein zu hohes technisches Niveau hatten und auch zu viele waren, vier Trilliarden Individuen, so eine Rechnerleistung war unvorstellbar. Und sogar auf dem bescheidenen Stand von Erde bekamen die Charaktere manchmal etwas von den Paralleluniversen der anderen Spieler mit. Sie sahen Schatten. Sie träumten. Es gab Dinge, die passierten, obwohl sie nach den Naturgesetzen von Erde unmöglich waren. Die Charaktere hatten ansatzweise verstanden, dass hinter den Grenzen ihres Universums noch etwas anderes liegen musste. Sie suchten, sie machten sich Gedanken, aber sie fanden nichts. Wenn das Spiel noch ein paar tausend Jahre weiterlaufen würde, schnallten sie es garantiert irgendwann.



Weihnachten war, wie die Zehn Gebote, eine dieser skurrilen Ideen von Ott. Er hatte mal als sein idealisiertes Spiegelbild einen Charakter erfunden, dem er ein paar Eigenschaften gab, von denen er selbst leider nicht viel besaß: Beredsamkeit, Charisma, feste Moralvorstellungen und gutes Aussehen. Der Typ sah genauso aus wie er, langhaarig, Bart, ein Nerd, nur war er etwa fünfzig Kilo leichter, außerdem hatte er eine gute Haut und wirkte nicht so blass. Ott saß eben ständig am Rechner. Er schickte die Figur nicht nach Deutschland, wo gerade Winter herrschte, sondern irgendwo in den Süden, die Gegend war Zufall, Hauptsache, Sonne. Die Figur glaubte, sie sei sein Sohn, wenn man so wollte, stimmte das sogar.
    Ott dachte, dass er quasi selber zum König der Erde werden könnte. Im eigenen Spiel als Figur herumzulaufen, war immer eine prima Sache. Stattdessen wurde sein virtueller Sohn von diesen verrückten Südländern ruckzuck umgebracht. Ott ließ ihn gleich wieder auferstehen, weil er sich das nicht gefallen lassen wollte, und gab den Befehl, dass überall auf Erde jedes Jahr eine Geburtsfeier für seinen Sohn veranstaltet werden musste. Und zwar auf deutsche Art, mit Schnee, Tannen, dicken Mänteln und Wollmützen, Schlitten, das volle Programm, auch bei dreißig Grad im Schatten.
    Das war natürlich wieder mal extrem unlogisch, eigentlich hätte das Fest mit Olivenzweigen und in Badehose gefeiert werden müssen. Aber im Spiel ging das. Ott amüsierte sich, wenn alle paar Minuten – die Zeit konnte er laufen lassen, so schnell er wollte – überall auf Erde die Charaktere an Palmenstränden künstlichen Schnee aufhäuften, rote Mützen anzogen und aufgeregt herumliefen, um füreinander Geschenke zu besorgen. Dazu sangen sie Loblieder auf ihn, Ott. Eine feste Burg ist unser Ott. Zur Belohnung fuhr er dann immer ihr Aggressionspotential kurz runter. Sollten sie sich ruhig mal für einige Stunden ein wenig lieb haben, bevor die Action weiterging.
    Die Zivilisation entwickelte sich trotz solcher gelegentlicher Interventionen zum größten Teil eigenständig, was den angenehmen Effekt hatte, dass die Kriege immer interessanter und ausgefeilter wurden. Sie erfanden sogar, ohne Otts Zutun, primitive Rechner, mit denen sie einfache Spiele spielten. Man durfte das nur nicht zu weit gehen lassen. Sobald die Technologie an einem bestimmten Punkt war, an dem die Bewohner von Erde anfingen, richtig durchzublicken und dem Geheimnis ihrer Existenz nahezukommen, wurde automatisch das Reset ausgelöst, und alles fing wieder mit der großen Schlacht der Menschen gegen die Neandertaler neu an. Armageddon. Das nächste Mal wollte Ott die etwas sensibleren Neandertaler gewinnen lassen, die emotional mehr draufhatten und nach zwei-, dreitausend Jahren meistens lernten, Gedanken zu lesen, was immer zu drolligen Verwicklungen führte.
    Aber noch war es nicht so weit. In dieser Nacht hatte er beschlossen, Weihnachten einen neuen Drive zu geben. Er schickte einen Killer los, der immer genau an dem gewissen Tag auf der Erde herumschlich und sich Opfer suchte.

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