Freunde müssen töten - Thriller (German Edition)
weichen Frotteebademantel und machte sich einen doppelten Espresso.
Nervös saß er auf einem Designhocker an seinem weiß lackierten Küchentresen und betrachtete zum wiederholten Mal argwöhnisch die mit dem Vorhängeschloss gesicherte Tür. Vorsichtig stand er auf, schlich leise zur Tür und legte das Ohr daran. Kein Laut, wahrscheinlich war sie vor Erschöpfung eingeschlafen.
„Verdammter Mist!“ Gruber schoss die leere Espressotasse quer über den Tresen, direkt in die blitzende Aluspüle, wo sie krachend zersplitterte. „Ruhig bleiben“, redete er sich selbst gut zu und horchte wieder. Doch aus dem Zimmer war nichts zu hören. Trotzdem konnte er nicht aufhören zu denken. Worauf hatte er sich da bloß eingelassen! Seine Kollegen bräuchten ja nur in seine Wohnung zu kommen. Die Küche, das Mah-Jong-Sofa, alles unbezahlbar von einem miesen kleinen Bullengehalt. Und dann noch diese versperrte Tür. Es war einfach zum Kotzen!
Als er einige Zeit später mit seinem Fiat 500 durch den Eisregen fuhr und der Verkehr ständig stockte, weil Autos auf der spiegelglatten Fahrbahn zusammengekracht waren, hatte er an die Nacht mit ihrem Schreien und Flüstern und ihrer Todessehnsucht völlig verdrängt, so sehr nahm ihn die Fahrt durch den Eisregen in Anspruch.
In der schwarzen Halle merkte er sofort, dass sich etwas verändert hatte. Schmidt, der Polizeischüler, saß zwar wie immer an seinem Computer, doch Tony Braun wirkte für seine Verhältnisse richtig gut gelaunt.
„Auch schon aufgewacht!“, brüllte Braun schon von Weitem und Gruber zuckte zusammen. „Wir haben unseren Verdächtigen! Ein Augenzeuge hat ihn eindeutig identifiziert. Er haust ganz in der Nähe.“
„Was meinst du, Braun?“ Gruber fuhr sich mit beiden Händen über das Gesicht, um seine Müdigkeit zu vertreiben.
„Na, Philipp Sommer, der den Koffer auf den Bahnhof gestellt hat! Wir haben doch sein Foto von der Überwachungskamera vom Bahnhof!“ Gruber bemerkte, dass ihn Braun prüfend betrachtete. „Geht’s dir nicht gut?“, fragte Braun dann auch. „Siehst ziemlich fertig aus!“
„Alles im grünen Bereich! Habe nur schlecht geschlafen!“ Er sah sich in der Halle um. „Also, wo müssen wir hin und wer kommt mit?“ Nicht sonderlich motiviert zuckte er mit den Schultern. „Warten wir noch auf das mobile Einsatzkommando oder stoßen die am Treffpunkt zu uns?“
Braun schüttelte vielsagend den Kopf. „Nicht die ganze Kavallerie, Gruber! Das machen wir diskret, nur wir beide! Mein Bauchgefühl sagt mir, dass dieser Sommer nicht unser Mörder ist!“
Für einen Augenblick wirkte Gruber verwirrt, doch Braun klopfte ihm beruhigend auf die Schulter. „Du hast doch die Überwachungsbilder gesehen, Gruber. Wärst du so dumm, einen Koffer mit einer Leiche so auffällig zu deponieren und dich dabei filmen zu lassen?“
Als Gruber nicht sofort antwortete, redete Braun einfach weiter.
„Glaub mir, dieser Philipp Sommer ist trotzdem interessant für uns, denn von irgendwoher muss er ja den Koffer mit der Leiche haben.“ Mit müden Augen beobachtete Gruber Braun, der energiegeladen in seinen langen schwarzen Mantel schlüpfte, sich einen dicken Schal gleich mehrmals um den Hals schlang und ununterbrochen redete, so als wäre er auf Speed.
„Ich denke, wenn wir Sommer haben, bringt uns das ein ziemliches Stück weiter. Also machen wir uns auf den Weg und statten wir dem Herrn einen Besuch ab.“
Als Gruber gerade den Reißverschluss seines glänzenden Anoraks hochzog, tauchte auch Klein, der frühere Fahrer von Wagner, in der Halle auf.
„Allgemeiner Aufbruch, wie ich sehe! Kann ich jemanden wohin fahren?“, fragte er in die Runde und sah dabei auf einen imaginären Punkt auf der Bühne hinter den Pinnwänden.
„Nicht nötig, Klein! Du hältst hier einfach die Stellung!“ Dann drehte sich Braun wieder zu Gruber. „Los, machen wir uns auf den Weg.“
„Wo müssen wir überhaupt hin?“ Gruber konnte ein Gähnen nicht unterdrücken und Braun starrte ihn wütend an.
„Jetzt hör mal zu, Gruber! Krieg endlich dein Privatleben auf die Reihe, damit man wieder was mit dir anfangen kann.“
„Tut mir leid, Braun. Das hat nichts mit meinem Privatleben zu tun. Das ist die verdammte Kälte!“
Braun ging nicht darauf ein, sondern überprüfte seine Glock.
„Er lebt anscheinend auf dem Dach des ehemaligen Logistik-Centers direkt beim Hafenbecken“, meinte er dann, während er das Magazin einschnappen ließ.
„Unglaublich!“
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