Freunde müssen töten - Thriller (German Edition)
nickte. „Verabschiede dich von ihr! Sie kommt in ein Krankenhaus!“
„Wieso Krankenhaus? Sie ist doch nur seekrank. Wieso kommt sie weg?“ Marusha klammerte sich an den Arm der blonden Frau. „Ich kann sie heilen. Ich kenne die Wundermittel der Baba Yaga. Ich kann ihr helfen!“ Die Blondine zuckte zurück, als sich Marusha noch näher an sie herandrängte und immer wieder „Bitte, bitte, bitte, ich kann sie heilen“ flüsterte. Sie schien kurz nachzudenken.
„Gut“, sagte sie nach einer kurzen Pause und hielt sich das iPad schützend vor die Brust. „Du kommst als Letzte nach oben! Dann kannst du noch bei ihr bleiben, bis der Krankenpfleger kommt.“
Die Mädchen stolperten an Marusha und Darija vorbei und schauten angestrengt in eine andere Richtung, keine von ihnen wollte mit dem Tod konfrontiert werden.
Plötzlich bäumte sich Darija auf, griff sich mit beiden Händen an den Bauch, die weißen Haare knisterten, sträubten sich in alle Richtungen, fielen dann dünn und schlapp auf ihre knochigen Schultern, panisch ruderte sie mit den Armen durch die Luft, keuchte, so als würde sie keine Luft mehr bekommen.
„Heilige Mutter Gottes“, schluchzte Marusha und klopfte Darija hektisch auf die Wangen. Darija keuchte und versuchte zu sprechen, winzige Schaumbläschen blubberten aus ihrem Mund, Arme und Beine begannen unkontrolliert zu zucken, die weißen Haare wippten vor und zurück, als Marusha sie wieder in ihrem Schoß wiegte. Endlich schlug Darija die Augen auf und versuchte Marusha zu fixieren und mit klappernden Zähnen versuchte sie zu sprechen.
„Verschwinde, Marusha! Verschwinde ...“, dann nur noch ein Röcheln.
Heilige Mutter Gottes, sie stirbt! Yeddih, schlechtes Zeichen! Sie stirbt! „Nicht sterben, du darfst nicht sterben, nicht sterben!“ Der Krankenpfleger kommt gleich! Yeddih! Stirb nicht, Darija!“, stammelte sie in der Sprache ihrer Väter und hielt weiter den zuckenden Kopf von Darija mit den Händen.
Noch einmal schlug Darija die Augen auf und der blubbernde Schaum färbte sich rot, als sie den Mund öffnete.
„Versprich mir, dass du stark bleibst. Sei unbesiegbar! Versprich es mir!“ Wieder Blut, tödlicher Schaum und spastische Zuckungen, Darija verkrampfte die Finger, krallte sich so fest an den Steinboden, bis das Blut unter den Nägeln hervorschoss. „Versprich mir, dass du kämpfst. Dass du die Hölle hinter dir lässt!“ Die riesigen Augen traten ihr fast aus den Höhlen, als sie versuchte, Luft in ihre Lungen zu pumpen.
„Versprich es mir?“ Mit ihren blutigen Fingernägeln umkrallte Darija den Arm von Marusha, die hektisch nickte.
„Ich verspreche, ich werde kämpfen, ja, ja!“
„Das rote Tuch in meiner Tasche!“, keuchte Darija und versuchte den zuckenden Kopf zu stabilisieren. „Binde es an einen Rosenstrauch! Versprich auch das!“
„Natürlich, alles, was du willst! Ich verspreche, ich verspreche es!“, schluchzte Marusha und versuchte Darijas Körper zu halten, der nur noch ein einziges Zittern und Zucken war, aber noch war Leben in ihr, noch wisperte sie in Marushas Ohr: „So ist die Tradition meiner Vorfahren. Das rote Tuch habe ich seit meiner Geburt. Wenn bei uns jemand stirbt, bindet man das Tuch an einen Rosenstrauch. Der Wind trägt alle Etappen des Lebens an die Pforte des Jenseits. Nur dann kann meine Seele aus der Finsternis zurück ins Licht.“
Eine Taube flatterte panisch in dem Gewölbe neben dem Anleger umher auf der Suche nach einem Ausgang, dann senkte sich plötzlich Stille über den Anleger. Nora kam zurück und zerrte Marusha zu einer schmalen Treppe, die nach oben führte. Als Marusha sich noch einmal umsah, sah sie eine Gestalt im Schatten des Gewölbes stehen und sie hörte eine Stimme zu Darija sprechen: „Sei unbesorgt. Ich rette dich, mein Engel. Ich habe noch alle Mädchen gerettet.“
36. Ein Freund macht einen Besuch
Wenn er jemanden zu Hause antreffen würde, dann müsste er sich eine logische Erklärung einfallen lassen oder eine offensichtliche Lüge, die so absurd war, dass sie für wahr gehalten würde.
Er hatte seinen Wagen in einer Seitenstraße geparkt und machte sich jetzt im dichten Nebel auf den Weg. Es war zwar erst früher Nachmittag, doch schon jetzt war alles in ein düsteres Zwielicht gehüllt und der feine Nieselregen ging langsam in Schnee über. Genauso wie er gedacht hatte, war die Eingangstür unversperrt, das Schloss längst von Vandalen herausgerissen und die von Sprüngen durchzogene
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