Freunde müssen töten - Thriller (German Edition)
Stadtteile miteinander verband, wenn nicht Nebel und eisiger Nieselregen die Sicht behindert hätten.
Die Mädchen, die in der vorderen Kabine hausten, hätten aber auch bei Sonnenschein kein Interesse an der Aussicht gehabt. Ihre Gedanken waren nur auf das eigene Überleben fixiert und darauf, sich von den Ängsten nicht niederschmettern zu lassen, denn sie alle hatten keine Ahnung, was sie hier erwarten würde – und das war gut so.
Darija spuckte zum wiederholten Mal Blut. Die Schläge des Kapitäns und der Männer hatten Blutungen in ihrem Körper verursacht und je länger die Fahrt dauerte, desto schlechter ging es ihr. Marusha hatte fürsorglich den Kopf von Darija in ihren Schoß gebettet und strich ihr jetzt die weißen Haare aus dem Gesicht, während sie ein ukrainisches Lied aus ihrer Kindheit summte. Von Darijas elektrisierender Energie war nicht mehr viel übrig geblieben, selbst der Schuss Heroin, den ihr Marusha in eine Vene setzte, brachte nicht die gewünschte Wirkung, Darija verdrehte bloß die Augen und hing schlapp wie eine Puppe in Marushas Armen.
Mehrmals hatte der Kapitän Marusha zu sich nach hinten gerufen und sie dort bereits mit offener Hose erwartet. Darija hatte keuchend und Blut spuckend auf dem Boden gelegen und sich schlafend gestellt. Doch der Kapitän wusste genau, wie es um sie stand.
„Wenn sie stirbt, werfe ich sie einfach über Bord!“, hatte er gesagt und Marushas Kopf an seinem nach Schweiß und Urin stinkenden Bauch entlang nach unten geschoben.
„Sie stirbt nicht! Sie ist nur krank!“ Hektisch hatte Marusha den Kopf geschüttelt und zu dem Kapitän hochgeblickt. „Sie stirbt nicht! Bitte, sie ist nur seekrank!“
„Seekrank? Dass ich nicht lache! Los, mach weiter, du kleine Scheißschlampe!“ Marusha hatte die Augen geschlossen und sich auf den Schrottplatz von Ternopol geträumt, doch so wie jedes Mal landete sie wieder vor der Stelzenhütte der Baba Yaga.
Beim Aussteigen über die wackelige Planke brach Darija zusammen und die anderen Mädchen weigerten sich aus Angst vor dem Kapitän, Marusha beim Tragen zu helfen. Als Marusha mit Darija auf dem Anleger kauerte und im eiskalten Wind zitterte, blickte sie an dem steilen Felsen nach oben und musste an Darijas Warnung denken, dass die Mitglieder dieses speziellen Clubs ein besonderes Interesse an ängstlichen Mädchen hätten.
Eine hochgewachsene blonde Frau in einem engen blauen Kostüm tauchte plötzlich auf dem Anleger auf. In der Hand hielt sie ein iPad, mit dem sie jedes der Mädchen fotografierte und sich dann Notizen machte.
„Steh auf!“, sagte sie zu Marusha, die noch immer auf dem Boden kauerte und den Kopf von Darija wiegte. „Ich habe aufstehen gesagt!“, herrschte sie Marusha an, als diese nicht sofort hochsprang.
„Stell dich da hin!“ Sie machte ein Foto von Marusha vor einer gefrorenen Steinwand, die im Blitzlicht wie eine Diamantenwand glitzerte. Leise nannte Marusha ihren Namen, ihr Alter und ihren Geburtsort.
„Was ist mit der da?“ Die blonde Frau deutete auf Darija, deren Mund blutverschmiert war und die immer wieder verzweifelt versuchte aufzustehen, es aber nicht schaffte.
„Sie ist nur seekrank! Es geht ihr gut!“ Schnell schob sich Marusha zwischen Darija und die blonde Frau. „Sie wird wieder gesund!“
„Verschwinde!“, fauchte die Frau. „Sie kann für sich selbst reden.“ Doch Darija konnte nicht mehr sprechen, alles, was sie konnte, war kraftlos die Arme zu heben und mit den unzähligen Armreifen zu klimpern. Ihre früher so elektrisch aufgeladenen weißen Haare hingen dünn und kraftlos an ihrem knochigen Schädel, der eingefallen und bleich beinahe an einen Totenschädel erinnerte.
„Sollen wir sie ins Wasser werfen?“, fragte der Kapitän, der jetzt dazugekommen war. „Ich kann nichts dafür. Sie wurde schon krank geliefert“, sagte er und gab Darija einen Fußtritt, auf den diese aber nicht reagierte. „Wie gesagt, wir können sie in den Fluss werfen“, wiederholte der Kapitän.
„Sind Sie verrückt! Wir sind hier in Österreich. Das ist ein zivilisiertes Land!“, sagte die hochgewachsene Blondine und holte ihr Handy hervor.
„Hier ist Nora. Lieferung ist eingetroffen, ein Stück der Ware ist beschädigt!“ Mit zusammengekniffenem Mund hörte sie zu und nickte. „Nein, die Ware kann nicht repariert werden. Es handelt sich um Ausschussware.“ Sie steckte das Handy wieder ein.
„Ist sie deine Freundin?“, fragte sie Marusha, die zögerlich
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