Freunde und andere Feinde: Endzeit-Thriller (German Edition)
grauen Schein. Sein Gesicht war kantig und das Kinn sehr spitz. Die Augen schienen ebenso grau und farblos zu sein wie sein gesamtes Antlitz. Dieser Mann stand vor Vidal wie ein Schulkind, dass sich frisch in die Hosen geschissen hatte und versuchte den üblen Geruch vor seinen Eltern zu verbergen.
„Also, hast du Siamak gesehen?“, wiederholte Vidal. „Er wollte doch heute bei dir vorbeischauen.“
Der Metzger schüttelte den Kopf. „Ich warte ebenfalls auf ihn.“
Vidal linste an der Silhouette des Metzgers vorbei und blickte neugierig in das Wohnzimmer. Er bemerkte auch die blutige Robe des Metzgers und schmunzelte. „Du hast ihn nicht zufällig zu Wurst verarbeitet?“
Im ersten Moment erschrak der Metzger, doch danach kam ihm eine wunderbare Idee.
„Ich muss noch viel schlachten, ganz viel“, sagte der Metzger. „Siamak bekommt heute eine riesige Platte Wurst.“
„Guter Mann“, sagte Vidal leicht irritiert über das glückliche Grinsen des Metzgers. „Tut mir Leid für die Störung, aber der König wollte mit ihm diese Johnny-Problematik mit höchster Dringlichkeit bereden. Zu viele Dorfbewohner fallen auf seinen Schwachsinn hinein.“
„Wollt ihr ihm endlich an den Kragen?“
Vidal zuckte mit den Schultern. „Wenn es nach mir ginge, jederzeit. Doch wir warten ab, bis es einen nachvollziehbaren Grund gibt. Wir wollen ja nicht die Gunst seiner fanatischen Jünger verlieren.“
„Verstehe.“ Der Metzger nickte Vidal zum Abschied zu. Hinter sich schloss er die Tür ab und packte seine Schlachterbeil. Er war schon so tief gesunken, da machte es um zwei, drei Stufen tiefer auch keinen Unterschied mehr. Für seine geliebte Uhr war ihm jedes Mittel recht.
Siamaks Leiche würde niemand finden, zumindest nicht an einem Stück. So hackte sich der Metzger seinen Weg in die vorläufige Freiheit, vor einem Haufen Fleisch und Blut.
11
Die Aussicht auf die tödliche Steinwüste erzeugte in Seppels Magengegend ein beklemmendes Gefühl.
„Du folgst dem Verlauf des Baches bis er versiegt, dort drehst du dich nach Westen und gehst geradeaus“, erklärte Natalie.
Seppel nickte und biss in ein Stückchen Wurst.
„Am eingestürzten Turm gehst du schließlich wieder nach Norden. Wenn du alles richtig machst, bis du noch morgen früh in Gomorrha.“
Die Straße vor der sie standen erinnerte an eine schmale Schlucht, umringt von eingestürzten Häusern. Der unfreundliche Ortsausgang von Sodom warnte die Dorfbewohner vor der lebensfeindlichen Gegend, in der so manche Reisende den Verstand verloren.
„Warum gerade ich?“, fragte Seppel protestierend und schob sich ein weiteres Stückchen Wurst in den Mund.
„Seppel, denken wir scharf nach.“ Die Kneipenbesitzerin Natalie schnaufte. „Jeder hier in Sodom erledigt seine Aufgabe. Der Metzger macht das Fleisch. Ich schenke den Alkohol aus. Der König regiert, Siamak treibt die Steuern ein, Vidal und seine drei Geschwister gehen auf Expedition... Ich könnte die Liste ewig weiterführen, doch was ich sagen wollte.“ Natalie hauchte ihm ihren Schnapsatem ins Gesicht. „Jedes Lebewesen integriert sich perfekt in den Kreislauf des Lebens - außer du, Seppel.“
„Ich nehme das nicht persönlich“, sagte der Schnorrer und knabberte an einer Bratenscheibe.
Sie drückte ihm ein gefaltetes Stück Papier in die Hand. „Hier. Nimm die Nachricht über Johnnys Ankunft und bring sie nach Gomorrha. Bring sie den einflussreichsten Personen dort, damit auch die Gebildeten aus Gomorrha an dem Wunder teilhaben können.“
„Ich weiß nicht...“ Seppel erschauerte, als er nur an die felsige Wüste dachte. Er nahm das Papier an sich und steckte es in den geflochtenen Korb, neben die Flasche Wasser und die Flasche Theison Schnaps (ein sehr beliebtes Getränk, dass unter einer der wenigen hochprozentigen Schnäpse war, dass den Krieg überlebte), die Natalie ihm für die Reise mitgegeben hatte.
„Versauf deine Wegzehrung bitte nicht am ersten Tag, sonst findest du Gomorrha in diesem Leben nicht mehr“, ermahnte Natalie.
„Ja ja. Ich möchte schließlich auch die Wüste überleben“, sagte Seppel und suchte in seinem Körbchen nach einem neuen Stückchen Fleisch.
„Hast du dich schon beim Metzger für seine Spende bedankt?“, fragte Natalie. „Er schien eine gute Woche zu haben, dass er dich aus heiterem Himmel mit einem köstlichen Fleischpaket sponsert.“
„Und was für eine gute Woche! Ich habe mich direkt bedankt für das leckere
Weitere Kostenlose Bücher