Freunde und andere Feinde: Endzeit-Thriller (German Edition)
Tasche.“
„Was ist mit deiner Taschenuhr, mit der man dich so häufig sieht? Ich konnte sie noch nie aus nächster Nähe sehen, doch sie sieht aus der Entfernung wertvoll aus. So eine hatte einst mein Vater immer. Ein Zeitmesser ist in der neuen Welt nutzlos, aber allein der alten Zeiten wegen, hätte ich wieder gerne einen. Gib sie mir und deine Schulden sind passé.“
In diesem Moment fuhr ein Schrecken in das Gesicht des Metzgers. Er fuhr instinktiv über die Taschenuhr in seiner Jackentasche. „Nein!“, protestierte er. „Es tut mir Leid, aber sie bedeutet mir zu viel. Ich kann sie nicht verschenken.“
„Wir reden hier nicht von Geschenken, sondern von deinen Schulden“, erinnerte Siamak. „Es ist nur eine Uhr, gib sie mir schon.“
Der Metzger machte einen Schritt rückwärts. „Alles, nur nicht meine Uhr. Sie ist alles, was mir von damals blieb.“
Siamak drehte sich um und schnaufte. „Seit 10 Jahren gab es nie Probleme zwischen uns. Und nun willst du ernsthaft den Aufstand proben, Metzger?“ Aus seiner Jackentasche zauberte er ein 40 Zentimeter langes abgebrochenes Stahlrohr. Nicht gerade überwältigend, aber es zählte zu den überzeugendsten Werkzeugen des Steuereintreibers. „Lass dir eins gesagt sein, mein Freund.“ Siamak wirbelte das Stahlrohr geübt umher. „Jeder einzelne blaue Fleck wird mir Leid tun...“
Als sich Siamak umdrehte, spürte er die blutverschmierte Hand des Metzgers über seinem Mund.
„Nicht die Uhr“, sagte der Metzger entschlossen und presste sein blutiges Schlachtermesser an Siamaks Kehle.
Der bullige Siamak wehrte sich mit aller Kraft und versuchte den Metzger von sich abzuschütteln, bei dieser Anstrengung sich das Schlachtmesser immer tiefer in seinen Hals bohrte. Als das Messer die halbe Breite von Siamaks dicken Hals aufschnitt und das Blut herausfloss, konnte er sich mit letzter Kraft befreien und den Metzger auf den Holzboden befördern.
Unter lauten Miau’s begab sich der Kater Freddi in Sicherheit.
Keuchend und blutend stand Siamak vor dem Metzger wie ein wildgewordener Grizzlybär. Er streckte seine Eisenstange in die Luft und nahm Anlauf zum finalen Angriff. Ein blutiger Wasserfall brach aus seinem Hals. Bevor Siamak zuschlagen konnte, rammte der Metzger ihm sein Schlachtermesser in die Brust und riss es mit einem Hieb wieder heraus. Siamak schaffte es noch seinen Schlag auszuführen, verfehlte den Metzger jedoch und donnerte lautstark auf die Holzdielen.
Die Schmerzen fühlte Siamak nicht mehr. Der Messerschnitt traf Siamaks Lungenflügel und brachte ihn zum kollabieren. Siamak japste tapfer nach Luft, doch der Todeskampf war für ihn bereits entschieden.
Der Metzger sackte wimmernd neben Siamaks Leiche zusammen und fragte sich, was er gerade getan hatte. Er berief sich selbst auf Notwehr und antwortete seinen darauf protestierenden Gewissensbissen, dass die Uhr doch alles war, was er noch hatte.
Und trotzdem fühlte er sich so schlecht aus Angst und Egoismus gehandelt zu haben.
„Was soll ich tun?“, fragte er den Kater Freddi. „Sag mir Freddi, was soll ich nur tun?“
Der Kater miaute. Diese Antwort hatte er erwartet.
Er wusste nicht was schlimmer war: Mit seinen Gewissensbissen weiterzuleben oder durch die Folter des Königs zu sterben. Sollte der König von seiner Tat erfahren, so würde er einen grausamen Tod sterben.
Auf beide Fragen konnte er sich noch keinen Reim machen. Siamaks Leiche musste verschwinden. Bei Tagesanbruch war es unmöglich die Leiche ungesehen zu entsorgen, doch auch bei Nacht streiften genügend Gestalten durch das kleine Dorf. Vorerst fiel ihm keine Lösung ein, so dass er bis zur Rätsels Lösung Siamak in der Küche versteckte. Doch lange Zeit zu überlegen hatte er nicht, denn daraufhin klopfte Vidal an der Tür.
10
Als nach dem dritten Klopfen der Metzger nicht die Tür öffnete, wurde Vidal ungeduldig.
„Mach schon auf, Metzger.“
Eine weitere Minute verging.
„Wenn du nicht sofort aufmachst, dann...“
In dem Moment wurde die Tür von einem lächelnden Metzger geöffnet, der sich alle Mühe gab sich das Blutbad vor wenigen Minuten nicht anmerken zu lassen.
„Hast du Siamak gesehen?“, fragte Vidal.
Das Gesicht des Metzgers spielte einen unwissenden Eindruck vor. Vidal betrachtete das unschuldige Bild des Mannes, der dermaßen von der Neuen Welt gekennzeichnet schien wie kein anderer. Obwohl er erst 42 Jahre auf dem Buckel hatte, trug der Seitenscheitel des Metzgers einen
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