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Frevel im Beinhaus

Frevel im Beinhaus

Titel: Frevel im Beinhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Schier
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Gefängnis kommt und du krank bist?»
    Falls er je wieder lebend herauskommt, dachte Adelina, schwieg aber. Sie brachte es nicht über sich, den anderen von ihrem Fund zu berichten, und sie traute sich auch nicht, denn Greverode bewachte sie nach wie vor mit Argusaugen. Auch jetzt stand er wachsam neben der Tür und beobachtete sie.
    «Du solltest dich wirklich etwas niederlegen», befand auch Marie. «Soll ich dir hinauf in deine Schlafkammer helfen?»
    «Nein danke, Marie. Es geht schon.» Adelina stand vorsichtig auf und verließ hinter Jupp die Küche. Während er zur Hintertür hinausging, um sich von Ludowig das Pferd satteln zu lassen, tappte sie zur Stiege und erklomm die erste Stufe, musste sich dann jedoch am Geländer festklammern, weil ein leichter Schwindel sie erfasste.
    «Ihr dummes, stures Weib», zischte es hinter ihr. «Müsst Ihr immer mit dem Kopf durch die Wand?»
    Erschrocken drehte Adelina sich um und blickte direkt in Greverodes wutblitzende Augen. «Ihr schafft ja nicht einmal die Hälfte dieser Treppe, ohne umzukippen. Aber nein, es geht schon, liebe Marie», äffte er sie übertrieben affektiert nach. «Ich bin ja so stolz, ich benötige keine Hilfe.»
    Adelina starrte ihn nur verständnislos an. Greverode fluchte und packte sie an den Armen. «Nun geht ganz langsam hinauf. Ich bleibe hinter Euch, falls Ihr strauchelt. So könnt Ihr wenigstens nicht hinterrücks die Stiege hinabfallen.»
    Sein Tonfall ließ keinerlei Widerspruch zu, und Adelina fühlte sich auch viel zu matt, um etwas zu erwidern. Als sie jedoch kurz den Kopf drehte, sah sie Marie in der Küchentür stehen und ihnen mit großem Interesse nachsehen.
    Greverode führte sie noch bis zu ihrer Kammer und ließ sie erst los, als sie die Tür geöffnet hatte. «Ich schicke Eure Freundin Marie herauf, damit sie sich um Euch kümmert»,grollte er. «Und wenn es Euch morgen früh bessergeht, erzählt Ihr mir, was das für ein Schriftstück war, das Ihr Meister Jupp vorhin heimlich zugesteckt habt.» Ohne auf ihre überraschte Miene zu achten, wandte er sich ab und verschwand wieder nach unten.
    Ratlos blickte Adelina ihm einen Moment lang nach, dann ging sie, ohne die Tür zu schließen, zu ihrem Bett und ließ sich mit einem kläglichen Laut, der irgendwo zwischen Seufzen und Schluchzen lag, darauf sinken.
    Nur einen Moment später stand Marie in der Kammer, sah sie kurz an und zog entschlossen die Tür hinter sich zu. «Adelina», sagte sie mit leisem Erstaunen in der Stimme und besorgter Neugier in den Augen. «Was geht hier vor?»
    Adelina kämpfte gegen die Tränen an, die in ihre Augen stiegen, konnte aber nicht verhindern, dass eine davon ihr über die Wange rann. «Ach, Marie», sagte sie mit zittriger Stimme. «Ich weiß es nicht.»
    ***
    Da Marie erkannt hatte, dass Adelina nicht in der Verfassung für ein Gespräch war, war sie nicht weiter in sie gedrungen, sondern hatte ihr nur geholfen, sich zu entkleiden und ins Bett zu legen. Franziska hatte ihr noch einen Krug frisches Wasser und einen Becher mit verdünntem Wein heraufgebracht, und nun lag sie seit geraumer Weile da und starrte in die beginnende Dunkelheit vor dem weit geöffneten Fensterladen. Irgendwo sang ein später Vogel die letzten Strophen seines Abendliedes, das so einsam klang, wie Adelina sich fühlte. Wieder und wieder fragte sie sich, wie es zu dieser verfahrenen Situation hatte kommen können. Wer war verantwortlich dafür? Neklas? Verheimlichte er ihr tatsächlich etwas und führte unbemerkt ein zweites Leben im Verborgenen? Oder wollte jemand sie das nur glaubenmachen? Jemand aus Neklas’ Vergangenheit? Woher sollte dieser Mensch von den geheimen Räumen und Gängen unter ihrem Keller wissen? Gewiss, es war bekannt, dass unter Köln noch die Überreste römischer Bauten zu finden waren, aber nie wäre sie auf den Gedanken gekommen, ihr eigenes Haus stehe ebenfalls auf solchen alten Ruinen. Und noch weniger konnte sie sich vorstellen, dass jemand anderes es zufällig herausgefunden haben sollte. Außerdem hätte derjenige ganz sicher nicht einfach auf gut Glück einen Schädel und einen Knochen aus dem Beinhaus dort hingelegt, denn er hatte ja nicht wissen können, ob sie sie jemals entdecken würde. Nein, es musste sich anders zugetragen haben. Die einzige logische Erklärung war, dass Neklas die Knochen dort unten irgendwo verborgen hatte und der Schädel und dieser einzelne Arm- oder Beinknochen dabei vielleicht verloren gegangen waren.

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