Frevel: Roman (German Edition)
sie nicht«, gesteht Arthur in einem Flüsterton, der gleichwohl im ganzen Haus zu hören sein muss, als wir die Treppe hinuntersteigen. »Sie hat mich einmal geschlagen, und meine Mama hat sie eine Hexe genannt.« Er sagt das so voller Inbrunst, dass es mir schwerfällt, ein Lachen zu unterdrücken.
»Das Luder war sicher alles andere als erfreut darüber, dass Ihr die Sachen ihres Mannes durchsucht habt«, meint Jane, als ich mich zu ihr in den Salon geselle. Sie sieht aus, als bereite ihr diese Vorstellung ein diebisches Vergnügen. »Wenn er überhaupt ihr Mann ist.«
»Von guten Umgangsformen kann bei ihr allerdings keine Rede sein.«
Jane nickt. »Man sollte nicht meinen, dass sie einst bei einer Adelsfamilie gedient hat. Damals hat sie mit Sicherheit besser auf ihre Manieren geachtet. Oder vielleicht auch nicht«, fügt sie bedeutungsvoll hinzu.
Ich halte mit dem Anlegen meines Umhangs inne.
»Tatsächlich? Bei welcher Familie denn?«
»Im Haus des Earl of Arundel, sie war Zofe oben in Arundel House auf dem Strand. Sie wollte nicht sagen, warum sie gegangen ist, aber ich vermute, man hat sie in Schande davongejagt. Sie hat ein Kind, müsst Ihr wissen, eine kleine Tochter, nicht älter als Arthur. Sie hat sie im Haus einer Witwe untergebracht, die für die Kleine sorgt. Und Kelley ist nicht der Vater«, erklärt sie mit einem vielsagenden Nicken. »Soweit ich weiß, hat sie sich erst vor einem Jahr mit ihm zusammengetan. Ich könnte wetten, dass sie nicht ordnungsgemäß verheiratet sind.«
»Ihr meint, sie ist in Arundel House schwanger geworden?« Ich starre sie ungläubig an. Noch eine Verbindung zu den Howards. Könnte es sein – ich stiere Jane noch immer an, während ein neuer Gedanke in meinem Kopf Gestalt annimmt –, dass Kelley für Henry Howard oder seinen Neffen arbeitet, eventuell sogar durch die Vermittlung seiner Frau? Mir fallen mein seltsames Gespräch mit Howard nach dem Konzert und seine verschleierte Drohung wieder ein. Er hatte erwähnt, Dee würde Geister in einem Kristall beschwören. War das ein Zufall, oder kannte er dieses Detail aus erster Hand?
»Es würde mich nicht wundern. Von irgendwoher muss sie Geld für den Unterhalt des Kindes bekommen. Ihre Kleider sind auch aus gutem Stoff – von wesentlich besserer Qualität, als man es bei einem einfachen Dienstmädchen erwarten würde. Wie dem auch sei – da mein Mann in seiner Gutmütigkeit ihrem angeblichen Mann Kost und Logis gewährt, bestehe ich darauf, dass sie als Gegenleistung einen Teil der anfallenden Hausarbeiten erledigt. Aber eigentlich weiß ich nicht, wieso ich mich mit ihr herumplage – dieses Baby hier wäre mir im Haus nützlicher, als sie es ist.« Sie schaukelt das Baby sanft, weil es einen leichten Schluckauf bekommen hat. »Und sie stiehlt Essen aus der Küche, da bin ich mir ganz sicher.«
Bei diesen Worten hebe ich eine Braue – vielleicht hält sich Ned Kelley noch hier in der Nähe auf. Allerdings äußere ich diesen Verdacht Jane gegenüber nicht, sie würde in Dees Abwesenheit gewiss nicht besser schlafen, wenn sie befürchten müsste, dass sich der selbsternannte Wahrsager im Garten versteckt hält.
»Öffnet niemandem die Tür, bis Euer Mann zurückkommt«, mahne ich sie an der Tür und klopfe auf meine Brust, wo Kelleys Papiere unter meinem Wams stecken. »Ich habe Beweise gefunden, die John entlasten, sowie die richtigen Leute sie zu Gesicht bekommen, und die Ned Kelley zu einem offiziell gesuchten Verbrecher machen werden.«
Jane schnaubt. »Als ob er das nicht schon wäre. Macht Euch um uns keine Sorgen, Doktor Bruno. Wir kommen schon zurecht – wie immer. Es war nett von Euch, uns zu besuchen«, fügt sie mit einem gezwungenen Lachen hinzu und streicht sich das Haar aus dem Gesicht. Wieder fällt mir auf, wie erschöpft ihre Stimme klingt. »Es ist furchtbar nass draußen – müsst Ihr wirklich gehen? Ihr seid herzlich zum Bleiben eingeladen, wenn Ihr wollt.«
Ich spüre, dass sie sich über Gesellschaft freuen würde oder zumindest froh wäre, einen Mann im Haus zu haben, aber nun, da ich Kelleys Papiere an mich gebracht habe, möchte ich sie so schnell wie möglich Walsingham übergeben.
»Ich muss leider fort. Doch wenn Kelley sich blicken lässt oder sie … «, ich nicke zur Treppe hinüber, »… irgendwie den Anschein erweckt, dass sie seinen Aufenthaltsort kennt, dann benachrichtigt unverzüglich Sir Francis Walsingham in Barn Elms. In der Zwischenzeit werde ich sehen, ob er
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