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Frevel: Roman (German Edition)

Frevel: Roman (German Edition)

Titel: Frevel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephanie Parris
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bluten!«
    »Wer hat mir mein Wams ausgezogen?« Ich ziehe mich auf die Füße, doch sofort beginnt sich der Raum um mich zu drehen.
    »Ich, du verdammter Narr«, raunzt Sidney. »Ich sitze bei dir, seit sie dich ins Haus gebracht haben. Walsingham war auch lange hier. Wir fürchteten, du würdest es nicht schaffen.« Er zögert einen Moment. »Trotzdem«, jetzt klingt seine Stimme wieder schroff, damit ich ihn ja nicht für sentimental halte, »dein Angreifer hätte wissen müssen, dass es mehr als nur eines Schlages auf den Kopf bedarf, um dich ins Jenseits zu befördern. Du hattest nichts bei dir. Keine Papiere, keinen Geldbeutel. Nichts. Und dein Wams und Hemd waren geöffnet.«
    Ich sinke auf das Bett zurück und presse eine Hand behutsam gegen meine Schläfe.
    »Ich wollte sie zu Walsingham bringen. Er muss sie mir abgenommen haben.«
    »Wer?«
    Ich schiele zu Frances, schüttele unmerklich den Kopf und zucke dann zusammen. Sogar bei dieser kleinen Bewegung kommme ich mir vor, als hätte sich mein Hirn in meinem Schädel gelockert.
    »Liebes, gehst du bitte und holst deinen Vater, wenn er Zeit hat? Sag ihm, Bruno ist wieder bei Bewusstsein. Besten Dank.« Er deutet gebieterisch zur Tür. Seine Frau nickt schwach und verlässt mit ihrer Schüssel voll blutigem Wasser den Raum. Die Tür fällt leise hinter ihr zu. »Sie ist entsetzlich gehorsam, weißt du«, bemerkt Sidney mit mildem Interesse, als sprächen wir über ein Pferd.
    Der Raum ist mit einem großen, bequemen Bett ausgestattet, dessen weiße Leinenvorhänge nun mit meinem Blut bespritzt sind. Ein Wandbehang, der eine Jagdszene zeigt, hängt an einer Wand, und sämtliche Kerzen sind entzündet worden, um die Kammer in ein freundliches Licht zu tauchen; die Flammen scheinen vor meinem verletzten Auge zu verschwimmen, und die Gegenstände ringsum wanken und schwanken. Sobald mir das volle Ausmaß des Geschehenen bewusst wird, ist mir, als hätte ich einen zweiten Schlag erhalten – vorsichtig berühre ich mein geschwollenes Jochbein und meine Beine, die zu zittern angefangen haben: Dass mein Verfolger mich am Leben gelassen hat, mag ein Versehen seinerseits gewesen sein, vielleicht dachte er ja, er hätte mich getötet, aber jetzt besteht kein Zweifel mehr daran, dass er mich aus dem Weg räumen will.
    Ich habe gerade damit begonnen, die Ereignisse in Dees Haus wiederzugeben, als die Tür gegen die Wand kracht und Walsingham mit solch drängender Eile in den Raum schreitet, dass ich einen Moment lang meine, er wollte mich in die Arme schließen. Davon hält er sich gerade noch ab, aber seine Besorgnis hat sich tief in sein Gesicht eingegraben, und ich kann nicht umhin, mich geschmeichelt zu fühlen.
    »Ich finde den Mann, der Euch das angetan hat, Bruno, verlasst Euch darauf.« Er zeigt mir seine geballte Faust, bevor er seine freie Hand darum schließt.
    »Oder die Frau«, wende ich ein. Meine Zunge fühlt sich doppelt so dick wie sonst an. Walsingham hebt die Brauen.
    »Tatsächlich? Das müsst Ihr mir erklären.« Er bedeutet Sidney, die Tür zu schließen.
    Also berichte ich von Jane Dees mysteriösem Besucher, von Ned Kelleys Truhe, den Büchern und den Zeichnungen, von Johanna Kelleys Verbindung mit der Familie Howard und weise darauf hin, dass mein Angreifer gewusst haben muss, dass ich etwas Belastendes aus Dees Haus mitgenommen habe. Walsingham runzelt die Stirn und beißt sich dann auf die Lippe, als ich ihm gestehe, dass mir die Papiere gestohlen worden sind. Nachdem ich geendet habe, fährt er sich mit der Hand über das Gesicht und nickt.
    »Wenn Kelleys angebliche Frau Essen für ihn stiehlt, dann kann sein Versteck nicht allzu weit vom Haus entfernt liegen.« Sidney verschränkt die Arme vor der Brust. »Entweder hat er das Gebäude beobachtet, oder sie ist dir selbst gefolgt, weil sie wusste, was du gefunden hast, so lautet meine Vermutung.«
    »Ich wünschte, ich hätte diese Bilder gesehen.« Walsingham verzieht das Gesicht. »Erst diese Sache mit Marias Ring, dann Kelley und diese Johanna – steckt wirklich Henry Howard hinter alldem?«
    »Können wir ihn nicht unter irgendeinem Vorwand festnehmen?«, erkundigt sich Sidney. »Möglicherweise redet er, wenn er um seine Haut fürchtet.«
    »Und welchen Vorwand schlägst du vor?«, fährt Walsingham ihn an. Der Staatssekretär erhebt nur selten die Stimme, und ich verwünsche mich erneut, weil die Papiere abhandengekommen sind, die ihm vielleicht geholfen hätten, den Fall zu lösen.

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