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Frevel: Roman (German Edition)

Frevel: Roman (German Edition)

Titel: Frevel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephanie Parris
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in einem anderen liegt sie nackt auf einer Art Altar ausgestreckt; der Ausdruck von Angst und Schmerz dagegen ist immer derselbe. Übelkeit steigt in mir auf, und in meinem Magen bildet sich ein heißer Klumpen – diese Bilder strahlen eine unverkennbare sadistische Wonne aus; es sind die zu Papier gebrachten Gewaltfantasien eines jungen Mannes. Man spürt, dass es dem Maler Vergnügen bereitet hat, nicht nur die nackten Körper der Frau darzustellen, sondern vor allem auch die Qualen, die sie erleidet. Mit Kelleys Schreibkünsten mag es zwar nicht weit her sein, aber er verfügt durchaus über ein gewisses Zeichentalent; die Bilder wirken erschreckend lebensecht. Wenn sie wirklich von seiner Hand stammen, dürfte es ihm auch nicht schwergefallen sein, die Visionen detailgetreu zu beschreiben.
    Langsam falte ich die Zeichnungen zusammen und verstaue sie in meinem Wams. Es handelt sich eindeutig um Skizzen, die der Vorbereitung des Mordes an Abigail Morley dienten, und wenn bewiesen werden kann, dass Kelley sie angefertigt hat, könnte das ausreichen, um ihn zu verurteilen oder zumindest vor Gericht zu bringen. Allein die Vorstellung, Kelley könnte seine lüsternen Fantasien an Abigail ausgelebt haben, treibt mir die Zornesröte ins Gesicht. Mein Atem beschleunigt sich, ich schließe einen Moment die Augen und zwinge mich, ruhig zu bleiben und einen kühlen Kopf zu bewahren. Selbst wenn Kelley ein Mörder ist, hätte er nicht die Möglichkeit gehabt, in die Nähe der Hofdamen der Königin zu kommen … es sei denn, er wäre von jemandem mit besseren Verbindungen angeheuert worden.
    Ich greife erneut in die Truhe und nehme die beiden unter den Papieren verborgenen Bücher heraus. Das erste ist eine Ausgabe von Das Buch Soyga , von Hand kopiert; ein Buch, das, wie viele glauben, Namen und Beschwörungen in der Sprache enthält, die zwischen Gott und Adam gesprochen wurde, eine noch nicht von dem Sündenfall der Menschen verdorbene Sprache von großer Macht. Ich habe dieses Manuskript in Paris gesehen und Zweifel bezüglich seiner Echtheit gehegt, obschon ich wusste, dass Dee eine Kopie besaß und fest darauf vertraute, dass es verborgene Mächte beinhaltet. Als ich ihn vor einiger Zeit bat, seine Kopie sehen zu dürfen, sagte er mir, sie sei verschwunden. Offenbar betätigt sich sein betrügerischer Privatwahrsager auch noch als Langfinger.
    Das zweite Buch ist eine Überraschung für mich, denn es handelt sich um mein eigenes, Über die Schatten von Ideen , das ich letztes Jahr in Paris veröffentlicht habe. Als ich die Seiten langsam umblättere, stelle ich fest, dass Kelley die Passagen unterstrichen hat, in denen ich die Bilder der Dekane beschreibe. Was Dee für Enthüllungen gehalten hat, die seinem Wahrsager zuteilgeworden sind, ist nichts als die Fähigkeit, Worte wiederzugeben, die er gelesen hat – meine Worte, um genau zu sein. Wenn Dee wieder da ist, werde ich ihm dieses Buch mit den Eselsohren und Anmerkungen als Beweis dafür zeigen, dass Kelley genauso wenig über eine Sehergabe verfügt wie das mürrische Hausmädchen. Vielleicht wird ihn das endlich davon überzeugen, dass er arglistig getäuscht worden ist.
    Das Buch schiebe ich zu den Papieren in meinem Wams. Diesmal bin ich ebenso wütend auf mich wie auf Dee; ich hätte die Wahrheit schon in dem Augenblick erkennen müssen, als ich Kelley das erste Mal von seiner »Vision« des Dekans des Widders faseln gehört habe. Kelley weiß weder etwas über die Schriften des Hermes noch spricht er mit den Geistern, seine sogenannten Offenbarungen sind frei erfunden, aus Einzelheiten zusammengesetzt, die er in Dees eigener Bibliothek zusammengetragen hat.
    »Was tut Ihr da mit den Büchern meines Mannes?«
    Ich schrecke zusammen und hätte beinahe die Kerze umgestoßen – ich war so in meine Gedanken versunken, dass ich ihre Schritte nicht gehört habe, und ihre plötzlich im Dunkeln erklingende scharfe Stimme lässt mir das Herz bis zum Hals schlagen. Als ich mich umdrehe, sehe ich Dees Hausmädchen mit einer kleinen Kerze in der Hand im Türrahmen stehen.
    »Heiliger Christus, Frau, du hast mich zu Tode erschreckt!« Ich bin so verwirrt, dass es einige Sekunden dauert, bis ich registriere, was sie gesagt hat. »Deines Mannes ?«
    »Ihr habt kein Recht, seine Papiere durchzusehen, und die Bücher gehen Euch nichts an.«
    »Da irrt Ihr Euch gewaltig, Madam – auf diesem steht nämlich mein Name.« Ich halte das Buch in die Höhe.
    Sie verengt nur die

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