Frevel: Roman (German Edition)
nicht einen Mann abstellen kann, um das Haus zu bewachen, bis John zurückkehrt.«
»Danke, Bruno. Aber Ihr könnt nicht ohne eine Laterne in die Nacht hinausgehen. Johanna!«, ruft sie in das dunkle Treppenhaus. »Hol eine Laterne für unseren Gast!«
Sie erhält keine Antwort. Mit einem ärgerlichen Schnauben stapft Jane mit dem Baby in den hinteren Teil des Hauses. Arthur und ich bleiben zurück und schauen uns feierlich an.
»Kümmere dich gut um deine Mutter, bis dein Vater nach Hause kommt.« Ich beuge mich zu ihm und fahre ihm mit der Hand durch das Haaar. Er sieht seiner Mutter ähnlich, hat aber Dees durchdringende Augen.
Der Junge nickt. Jane kehrt zurück und reicht mir eine Laterne mit einer frischen Kerze darin.
»Bringt sie bei Gelegenheit zurück. Und jetzt geht mit Gott.«
Trotz der kurzen Zeit am Feuer ist mein Umhang noch genauso feucht wie bei meiner Ankunft, und als ich ins Freie trete, dringt die Nachtluft wie ein eisiger Pfeil durch den Stoff und lässt mich erschauern. Dessen ungeachtet gelingt es mir, mich so unbeschwert von Jane zu verabschieden, als sei alles in bester Ordnung. Der kleine Arthur bleibt auf der Schwelle stehen und winkt, bis ich das Tor erreicht habe. Ich blicke zum oberen Stockwerk des Hauses empor und bin fast sicher, eine in Schatten gehüllte Gestalt am Fenster stehen zu sehen, die mich unverwandt beobachtet.
Ich habe weniger als eine Meile über die Landzunge zu gehen, die in den Fluss hineinragt und bewirkt, dass er einen Bogen um Barnes und Mortlake beschreibt. Es gibt nur eine Straße, kaum mehr als ein Pfad, der am Wasser entlang und dann quer über das Land führt. Vom Wind getriebene Wolken jagen über das Antlitz des Mondes, doch sogar im Dunkeln wäre der Weg von hier nach Barn Elms kaum zu verfehlen. Entgegen Walsinghams Anweisung, ihm meine Informationen durch Fowler zukommen zu lassen, erscheinen mir die Papiere unter meinem Wams so dringend, dass ich jede Verzögerung vermeiden will; ich kann sie ihm oder Sidney übergeben und in die Botschaft zurückkehren, ohne dass jemand erfährt, wo ich gewesen bin. Ich halte die Laterne vor mich, sodass sich ihr Licht in den Pfützen in den Furchen auf dem Pfad widerspiegelt, schlinge meinen Umhang enger um mich und schließe das Tor hinter mir.
Ich spüre die Gegenwart eines Verfolgers mehr, als dass ich sie höre – fast im selben Moment, in dem ich auf die schlammige Straße trete, die mich zum Flusspfad führen wird. Er – oder vielleicht auch sie – ist nicht mehr als eine bloße Bewegung gerade außerhalb meines Blickfeldes, ein leiser Lufthauch, ein sachtes Klatschen auf Wasser in einer Pfütze. Langsam drehe ich mich um, erweitere den Lichtkreis der Laterne, indem ich den Arm ausstrecke, doch wer immer mich auch belauert, er hält sich im Verborgenen. Dennoch weiß ich, dass ich nicht allein bin, und ein Teil von mir verwünscht meine Unvorsichtigkeit – ich beschleunige meine Schritte. Was habe ich mir nur dabei gedacht, mich zu so später Stunde noch so weit von der Stadt zu entfernen, vor allem jetzt, wo kein Zweifel mehr daran bestehen kann, dass mich jemand beschattet? Bei jedem Schritt spüre ich Kelleys Papiere an meiner Brust und versuche, meine aufkeimende Furcht zu unterdrücken. Wir stehen kurz davor herauszufinden, wer Cecily Ashe und Abigail Morley getötet hat, und ich bin jetzt davon überzeugt, dass Ned Kelley die Verbindung zwischen den Howards und dem Mordkomplott ist. Angespornt von dem Gedanken, dass das Rätsel vielleicht bald gelöst ist, verfalle ich in einen schnellen Trab, aber mein unbekannter Verfolger lässt sich nicht abschütteln. Ich kann meine Schritte im Morast wie ein Echo wahrnehmen, drehe mich gleichwohl nicht mehr um. Stattdessen halte ich den Blick auf den Weg vor mir gerichtet, eine Hand auf mein Messer gelegt, mit der anderenhalte ich die Laterne vor mich und sage mir immer wieder, dass mich jeder Schritt Barn Elms und Walsingham näher bringt. Sowie mein Verfolger erkennt, wohin ich will, wird er sich sicherlich zurückziehen. Walsingham lässt seine Tore von bewaffneten Posten bewachen, ihm bleibt gar nichts anderes übrig, wenn man bedenkt, wie viele Katholiken ihn gerne verfrüht zu seinem Schöpfer schicken würden.
Der feuchte Atem der Nacht, die soliden Umrisse der nassen Bäume zu beiden Seiten, dazu die Gegenwart meines unsichtbaren Verfolgers, der in der Stille fast zu einer Art von Gefährten wird … beinahe beginne ich zu glauben, dass er mir gar
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