Frevel: Roman (German Edition)
Mädchen stürben, würde ich der Königin persönlich mitteilen, dass sie dafür verantwortlich ist, weil sie den Mörder gedeckt hat. Das hat ihr eine Todesangst eingejagt, kann ich Euch sagen. Mit fünfzehn sind sie allesamt störrische Kreaturen.«
»Ich kann es mir vorstellen.« Ich male mir aus, wie die verängstigte Schwester der scharfzüngigen Lady Seaton hilflos ausgeliefert ist. »Sie hat Euch einen Namen genannt?«
»Keinen Namen, sondern einen Titel. Sie behauptete, Cecily hätte ihr den Namen nie genannt, sie hätte ihn lediglich als Earl of Ormond bezeichnet.« Sie legt eine dramatische Pause ein, damit ich diese Information verarbeiten kann. Ich gestehe meine Unwissenheit mit einem Achselzucken ein.
»Nun – kennt Ihr diesen Mann?«
Sie dreht sich zu mir um. Ein schadenfrohes Funkeln tritt in ihre Augen.
»Das ist ja gerade der springende Punkt, Bruno – bei Hof gibt es niemanden, der diesen Titel führt.«
»Aber dann – jeder könnte sich einen falschen Titel zugelegt haben«, erwidere ich verzagt. »Wie soll uns das weiterhelfen?«
»Ich habe nicht gesagt, dass es sich um einen falschen Titel handelt, sondern nur, dass meines Wissens niemand am Hof als Earl of Ormond bekannt ist. Und ich kenne dort jeden«, fügt sie hinzu, als hätte ich versucht, dies zu leugnen. »Ich dachte, das wäre vielleicht eine Spur, der Ihr nachgehen könnt. Ich meine, es könnte ein alter Familienname sein, der von einem anderen Haus vereinnahmt worden oder ausgestorben ist – die Annalen des englischen Adels wimmeln von halb vergessenen untergeordneten Titeln wie diesem.«
»Demnach war er Engländer?«
Sie runzelt die Stirn, als wäre sie nicht sicher, worauf ich hinauswill.
»Nun, das nahm ich jedenfalls an. Wie sonst hätte er Cecily davon überzeugen können, eine Grafschaft zu besitzen?«
Ich streiche mir das Haar aus der Stirn und revidiere ungeduldig meine Theorie. Courcelles spricht gut Englisch, aber sein französischer Akzent ist so ausgeprägt, dass er Muttersprachler zum Lachen reizt. Lady Seaton hat Recht, er hätte nie überzeugend als englischer Adliger auftreten können, und Cecily hätte es sicher entweder ihrer Schwester oder Abigail gegenüber erwähnt, wenn ihr eindrucksvoller Verehrer ein Franzose gewesen wäre. Nein, so ungern ich mich auch von der Idee verabschiede – obwohl Courcelles’ Äußeres in das Bild passt, glaube ich nicht, dass er sich als Earl of Ormond ausgegeben hatte.
»Aber wo könnte ich etwas über diesen Titel herausfinden?«
Sie sieht mich an, als würde ich mich dümmer stellen, als ich bin.
»Das Heroldsamt hat alles archiviert. Es ist am Derby Place, einer Seitenstraße der St. Peter Street. Dort kann man Euch sicher Auskunft geben.«
»Wo um alles in der Welt liegt Ormond nur?«
»Woher soll ich das wissen, Bruno? Ich bin kein Kartograf.«
»Habt Ihr Lord Burghley davon erzählt?«, erkundige ich mich neugierig.
Sie schnalzt mit der Zunge.
»Lord Burghley und ich schätzen uns nicht sehr. Ich hatte nie den Eindruck, dass ihm das Schicksal der Hofdamen sonderlich naheging. Ihr Tod ist ein politisches Problem für ihn, für das er eine politische Lösung finden wird, da könnt Ihr sicher sein. Inzwischen sind meine Mädchen außer sich vor Angst davor, der Mörder könne sein Auge noch auf andere von ihnen geworfen haben. Auch die Königin fürchtet sich, obwohl sie es nie zugeben würde. Diese Morde waren groteske Drohungen gegen ihre Person. Und sie vergiften die Atmosphäre am Hof – wir sehen jeden Mann voller Argwohn an und fragen uns, ob er wohl der Täter ist. Er muss gefunden und weggesperrt werden, damit er keiner weiteren von uns etwas antun kann.« Sie schlingt ihren Schal enger um sich, als ein Windstoß die Blätter im Hof aufwirbelt. »Ich hatte wenig Lust, von Lord Burghley noch einmal als törichte alte Närrin abgetan zu werden. Aber Ihr habt etwas an Euch … mit Euren klugen Augen und klugen Fragen. Als ich Euch mit dem französischen Botschafter am Hof sah, wurde mir sofort klar, dass Ihr einer von Francis Walsinghams Agenten sein müsst. Ihr braucht nicht darauf zu antworten. Ich kann schweigen wie ein Grab.«
Weder bestätige ich dies noch leugne ich es.
»Ich kann Euch versichern, Mylady, dass ich alles tue, was in meiner Macht steht, um zu helfen, diesen Mann zu fassen, und ich bin Euch dankbar für Eure Mühe. Aber ich denke, in Bezug auf Lord Burghley irrt Ihr Euch. Er hat selbst eine Tochter ungefähr dieses Alters
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