Frevel: Roman (German Edition)
verloren. Ich glaube, all das geht ihm näher, als Ihr ahnt.«
Sie denkt darüber nach, als ich knapp nicke und auf das Tor zugehe.
»Bruno?«
Ich drehe mich erwartungsvoll um.
»Vergesst Eure Manieren nicht. Mein Titel ist echt, das versichere ich Euch.« Dabei zuckt es verräterisch um ihre Mundwinkel. Ich verbeuge mich tief, und als ich wieder aufblicke, ist sie bereits auf dem Rückweg ins Haus.
Auf dem Weg durch Bucklersbury, wo die Gerüche aus den zahlreichen Apothekerläden die Luft erfüllen, bleibe ich stehen, um über meine Schulter zu blicken. Sollte mein Verfolger noch hinter mir her sein, soll er sich doch zeigen; ich spüre, dass die Identität dieses schwer fassbaren Mörders kurz vor der Enthüllung steht. Er hat Cecily Ashe mit einem hübschen Gesicht und einem Titel verführt, den er sich ausgeliehen oder erfunden hat, oder vielleicht ist es wirklich sein eigener, den er nur nicht benutzt, doch wenn die Grafschaft Ormond wirklich existiert oder je existiert hat, werde ich herausfinden, wer von den restlichen Verdächtigen eine Verbindung dazu hat. Schon jetzt eilen meine Gedanken den Tatsachen voraus und legen sich auf Throckmorton fest. Obwohl ich ihm nur zweimal in Salisbury Court begegnet bin, erinnere ich mich an ihn als an einen Mann von angenehmem Äußeren, nicht auffallend schön wie Courcelles, aber gut aussehend genug, um der Beschreibung zu entsprechen. Er ist Engländer, stammt aus guter Familie – könnte er nicht genauso gut Cecily davon überzeugt haben, dass er einen Titel führt?
Meine Überlegungen fliegen schneller dahin als meine Füße, die mich entlang der Great St. Thomas Apostle und dann als Abkürzung den Garlic Hill hinunter zur Thames Street und genau nach Westen zur St. Peter’s führen. Ich danke meinem Schöpfer dafür, dass ich einen großen Teil des Sommers damit verbracht hatte, durch die Straßen der Stadt zu wandern und sie zu erkunden, die Bezirke der Gildemitglieder und Kaufleute, die wohlhabenden und die Armenviertel. Ich wollte alles kennen lernen, um in meinem Kopf ein Gesamtbild zusammensetzen zu können; da ich London zu meiner neuen Heimat machen wollte, fand ich, sollte ich mir die Mühe machen, mir profunde Ortskenntnisse zu erwerben. Und obwohl ich mich nie so gut auskennen werde wie die, die mit dem Gestank der Themse in der Nase geboren wurden, habe ich mir zumindest so viele der wichtigsten Straßen eingeprägt, um nicht ständig stehen bleiben und Fremde nach dem Weg fragen zu müssen. London ist für Ausländer keine freundliche Stadt; es empfiehlt sich, nie zuzugeben, dass man sich verlaufen hat.
In der St. Peter Street halte ich einen gut gekleideten Mann an und erkundige mich, wo das Wappenamt zu finden ist. Er deutet die Straße hinunter auf ein großes u-förmiges dreistöckiges Gebäude auf der Nordseite. Im Westteil des Hauses erbli cke ich ein Torhaus mit heraufgezogenem Fallgitter. Innerhalb des von Gebäudereihen umschlossenen quadratischen Hofes tritt ein Mann in einem Heroldsrock mit dem königlichen Wappen aus der Haupttür und fragt mich nach meinem Begehr. Ich bleibe stehen, beuge mich vor, stütze die Hände auf die Oberschenkel und versuche, wieder zu Atem zu kommen, während er mich besorgt mustert.
»Ich brauche Informationen über einen bestimmten Titel«, keuche ich, als mir meine Stimme wieder gehorcht. Seine Augen werden schmal.
»Zu welchem Zweck?«
»Um herauszufinden, ob er wirklich existiert.«
»In wessen Auftrag?«
Ich zögere. Wessen Autorität könnte mir hier am meisten nützen? Ich darf es keineswegs riskieren, dass man mich mit Walsingham in Verbindung bringt, und wenn ich Burghley nenne, würde der königliche Bedienstete gewiss einen Brief oder ein Siegel als Beweis verlangen – verständlich, da meine Erscheinung durchaus Anlass zu Misstrauen gibt.
»Ich bin der Privatsekretär des französischen Botschafters, Seigneur de Mauvissiere.« Ich richte mich auf und streiche mir das Haar aus dem Gesicht, hierauf beuge ich mich erneut vor und dämpfe meine Stimme. »Es handelt sich um eine heikle Angelegenheit.«
Ein leiser Anflug von Interesse huscht über sein Gesicht, er nickt und öffnet mir die Tür. Ich finde mich in einer gefliesten Eingangshalle voller Seidenbanner in leuchtenden Farben wieder; sie zeigen eine Menagerie von Löwen, Adlern, Einhörnern, Greifen und Basilisken, die sacht im Luftzug wehen, der durch die offene Tür dringt.
»Ihr müsst mit einem der Wappenherolde sprechen«,
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