Frevel: Roman (German Edition)
französischen Botschafter so an ihm gefällt.
Warum Castelnau allerdings Douglas in seiner Nähe duldet, begreift niemand. Der ältere Schotte ist eine Art Edelmann niederen Ranges, ungefähr vierzig Jahre alt, hat frühzeitig ergrauendes rötliches Haar und ein von Wein und Wetter gegerbtes Gesicht. Er hat sich mit dem Versprechen, den Anspruch der schottischen Königin auf den englischen Thron zu unterstützen, in der Botschaft eingenistet. So unwahrscheinlich es klingt – er ist tatsächlich ein Senator am obersten schottischen Gericht, unterhält angeblich gute Beziehungen zu schottischen Lords – sowohl katholischen als auch protestantischen – und ist mit der Empfehlung von Königin Maria von Schottland persönlich angereist. Für den Botschafter müssen diese Verbindungen ein ausreichender Grund sein, um ihn durchzufüttern. Ich hege da allerdings meine Zweifel. Angesichts des Umstands, dass auch ich die letzten sieben Jahre nur dank einflussreicher Gönner überlebt habe, sollte ich Archibald Douglas gegenüber vielleicht mehr Nachsicht walten lassen, aber ich bilde mir gern ein, dass ich meinen Gastgebern als Gegenleistung für ihre Großzügigkeit wenigstens etwas biete, und sei es auch nur eine angeregte Unterhaltung beim Essen und das Prestige meiner Bücher. Soweit ich es beurteilen kann, bringt Douglas überhaupt nichts ein, und seine allzu offenkundig zur Schau getragene Sympathie für Königin Maria und ihre französischen Anhänger erweckt meinen Argwohn. Er kommt mir vor wie jemand, der jedem nach dem Mund redet, von dem er sich etwas erhofft. Es ärgert mich, dass Claude de Courcelles, der eine Spur zu geschniegelte Sekretär des Botschafters, mich mit Douglas in einen Topf wirft. Courcelles ist für Castelnaus Buchhaltung zuständig und betrachtet alle, die seiner Meinung nach auf Kosten seines Arbeitgebers leben, mit unverhohlener Abneigung. Ich muss ihn oft daran erinnern, dass ich ein persönlicher Freund des Botschafters bin, wohingegen Douglas – nun, Douglas behauptet, mit vielen einflussreichen Leuten befreundet zu sein, unter anderem mit der schottischen Königin selbst, aber ich glaube ihm das nicht so recht. Wenn er bei den schottischen und englischen Edelleuten so beliebt ist, warum wird er dann nicht ab und an bei ihnen zum Essen eingeladen? Und warum sitzt er nie in Schottland an seiner eigenen Tafel?
Der Mord am Hof war heute Abend das Hauptgesprächsthema bei Tisch und hat sogar die üblichen Diskussionen über die schottische Königin und die Ambitionen ihrer Guise-Vettern verdrängt. In der Nacht im Richmond Palace habe ich Burghley und Walsingham von meiner Unterhaltung mit Abigail berichtet, seither werden die Hofdamen von zusätzlichen Wachposten beschützt und die Männer des Hofes erneut befragt, aber natürlich neigen sie zum Lügen, wenn es um verbotene Affären geht. Walsinghams Besorgnis wächst stetig – die Hofhaltung der Königin in Richmond umfasst gut sechshundert Männer und Frauen. Zwar herrscht eine strikte Hierarchie – jeder höherrangige Diener ist für die unter ihm stehenden verantwortlich –, aber wie kann man aus so vielen Leuten herausbekommen, was sie wann wirklich getan haben? Königin Elisabeth zieht es vor zu glauben, dass ein Irrsinniger in das Palastgelände eingedrungen ist; ihre Lösung des Problems besteht darin, den Hof früher als sonst in ihren Palast Whitehall mitten in London zu verlegen, der nicht so exponiert ist und sich besser verteidigen lässt. Sie will nicht zugeben, dass sich der Mörder durchaus noch in ihrer Nähe befinden könnte. Walsingham sagte, er würde nach mir schicken, wenn er meine Hilfe bräuchte. Inzwischen solle ich zu Castelnau zurückkehren und meine Aufmerksamkeit auf die Gespräche hinter verschlossenen Türen der Französischen Botschaft richten.
In dem holzgetäfelten Speisesaal von Salisbury Court brennen die Kerzen herunter, und die Uhr hat schon Mitternacht geschlagen, aber der Tisch ist noch immer mit den Überresten von Castelnaus Festmahl übersät, die Saucen sind längst kalt und geronnen. Die Dienstboten werden am Morgen Ordnung schaffen; nach der Mahlzeit pflegt der Botschafter mit seinen Gästen private Angelegenheiten zu erörtern. Seit sich Englands einflussreichste und unzufriedenste katholische Lords so oft an Castelnaus Tafel versammeln, empfiehlt es sich nicht zu riskieren, von den Dienern belauscht zu werden, schließlich kann man nicht vorsichtig genug sein, wie der Botschafter zu
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