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Frevel: Roman (German Edition)

Frevel: Roman (German Edition)

Titel: Frevel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephanie Parris
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betonen nicht müde wird. Deshalb müssen wir alle versuchen, Archibald Douglas zu ignorieren, der mit einem abgenagten Hühnerkadaver herumspielt oder mit dem Finger kaltes Fett aufwischt, um es geräuschvoll abzulecken, während er seine unausgegorenen Ansichten von sich gibt.
    Michel de Castelnau, Seigneur de Mauvissiere, schiebt seinen Teller von sich, stützt die Ellbogen auf den Tisch und mustert seine Gäste. Für einen Mann von sechzig Jahren ist er bemerkenswert rüstig, hat kaum Silbersträhnen in seinem dunklen Haar, und in seinem harten Gesicht mit der Knollennase leuchten scharfe Augen, denen nichts entgeht. Castelnau ist ein kultivierter Mann, nicht frei von Eitelkeiten, der an seiner Tafel gern Gäste mit Verstand und fortschrittlichen Ideen sieht, die sich nicht scheuen, ihre Theorien zu verteidigen und die Diskussionen über Wissenschaft, Theologie, Politik oder Poesie zu schätzen wissen. Ich verstehe immer noch nicht, wie ein Mann wie Douglas in seinen Kreis passt, wenn man einmal davon absieht, dass er Maria Stuarts Wohlwollen genießt. In dem dämmrigen bernsteinfarbenen Licht ragen unsere tanzenden Schatten hinter uns an der Wand auf.
    »Eine Jungfrau wurde am Hof der Königin geschändet und ermordet.« Der Blick des Botschafters wandert über jeden Einzelnen von uns hinweg. »Meine Freunde, dies geschah, um die Katholiken zu verunglimpfen. Warum sonst? Ob Kruzifix oder Rosenkranz, das hat wenig zu bedeuten. Die Einzelheiten können sich von Bericht zu Bericht unterscheiden, aber die Absicht bleibt dieselbe: Furcht und Hass zu schüren – als ob es nicht schon genug davon gäbe! Die Katholiken haben das getan , werden die Engländer in den Straßen raunen. Die Katholiken schrecken vor nichts zurück, sie wollen unsere Königin töten und uns alle wieder zu Sklaven des Papstes machen. Das werden sie behaupten.« Er hat einen quengeligen, winselnden Ton angeschlagen, um den Klatsch der englischen Bürger in den Gassen und auf den Märkten zu imitieren. Courcelles, dieser Speichellecker, lacht pflichtschuldig, Douglas rülpst vernehmlich.
    »Was ich gehört habe«, durchschneidet eine neue Stimme die Stille wie Glas, »ist, dass ihr gesamter Körper mit Symbolen schwarzer Magie bedeckt war – mit Blut gemalt.« Er sieht mich an, als er dies sagt; der Mann, der halb im Schatten am Ende des Tisches sitzt. Er hat scharf geschnittene Züge, einen spitz zulaufenden Bart, Brauen wie gotische Bogen und Augen, die so hart wie Pfeilspitzen schimmern. Heute Abend hat er sich für seine Verhältnisse ungewöhnlich zugeknöpft verhalten, aber jedes Mal, wenn er diese schmalen, kalten Augen auf mich richtet, spüre ich die Feindseligkeit, die von ihm ausgeht wie die Hitze von einem Feuer.
    Castelnau späht nervös in meine Richtung. Trotz der Vorbehalte seines Sekretärs gegen mich hat sich der Botschafter mir gegenüber stets freundlich, fast herzlich gegeben, seit ich auf Geheiß seines Königs im April in sein Haus gekommen bin, aber ich weiß, dass ihm dieser Teil meines Rufes Sorge bereitet. In Paris habe ich König Henri III. die Gedächtniskunst gelehrt – ein einzigartiges System, das ich aus den Lehren der Griechen und Römer entwickelt habe. Der König bezeichnete mich als seinen Hofphilosophen, was natürlich den Neid der Gelehrten an der Sorbonne weckte, die überall verbreiteten, meine Gedächtnistechniken seien Hexerei und der Kommunikation mit Dämonen entsprungen. Es waren diese Gerüchte, die, zusammen mit dem wachsenden Einfluss der katholischen Splittergruppe am französischen Hof, zu meinem vorübergehenden Exil in London geführt haben. Castelnau ist ein aufrechter Katholik, kein Extremist wie die Guise-Horde, aber fromm genug, um es mit der Angst zu tun zu bekommen, wenn die Leute ihm gegenüber darüber scherzen, dass er einen Hexenmeister in seinem Haus beherbergt. Auch er warnt mich oft, dass meine Freundschaft mit Doktor Dee meinem Ruf schade. Ich vermute, er sagt das, weil sein enger Freund Henry Howard Dee hasst, obwohl mir der Grund für diesen Hass ein Rätsel bleibt.
    Lord Henry Howard starrt mich unter seinen geschwungenen Brauen hervor unentwegt an, als würde seine Position mich dazu verpflichten, mich zu rechtfertigen. »Habt Ihr nicht auch solche Berichte gehört, Bruno?«, fügt er mit seiner glattesten Stimme hinzu. »Das ist doch Euer Fachgebiet, nicht wahr?«
    Ich lächele freundlich, während ich seinem Blick unverwandt standhalte. Es würde ihm einen Stich

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