Frevel: Roman (German Edition)
ausgeheckten Komplotte zu Ohren kommt. Dort wimmelt es jetzt von zornigen jungen Engländern im Exil, die der Meinung sind, dass die päpstliche Bulle von 1570, die Elisabeth zur Ketzerin erklärt, ihnen indirekt auch das Recht gibt, sie im Namen der katholischen Kirche zu ermorden.
Aber der Mord heute Abend ist nicht die Tat eines jungen Hitzkopfs, der bereit ist, für seinen Glauben zum Märtyrer zu werden, sondern ihm haftet etwas bedrückend Theatralisches an, ein Maß an Planung, das dazu bestimmt ist, echte Furcht zu erwecken. Aber Furcht wovor? Vor den Katholiken? Den Planeten? Auch hier gibt es eine Botschaft, die Burghley entschlüsselt zu haben glaubt, aber ich bin mir da nicht so sicher. Das Jupiterzeichen beunruhigt mich, allerdings vielleicht nur, weil es mir und Doktor Dee und unseren geheimen Aktivitäten so nahekommt. Seufzend strecke ich die Beine aus. Nach meinen Erlebnissen in Oxford hatte ich gehofft, etwas Abstand von den Machenschaften der Gewalt zu gewinnen, die an Elisabeths Hof herrschen. Schließlich bin ich ein Philosoph; was ich mir wirklich wünsche, ist Zeit, um an meinem Buch zu arbeiten, solange König Henri III. von Frankreich bereit ist, für meinen Aufenthalt hier bei seinem Botschafter aufzukommen. Als ich mich kurz nach meiner Ankunft in England einverstanden erklärte, für Walsingham zu arbeiten, war ich davon ausgegangen, dass es sich nur darum handelte, in der Botschaft die Augen offen zu halten, darauf zu achten, welche Angehörigen des englischen Adels dorthin zum Dinner kommen, wer zur Messe bleibt, wer das Vertrauen des Botschafters zu gewinnen versucht und wer mit welchen Katholiken im Exil korrespondiert. Jetzt bin ich zum zweiten Mal in einen gewaltsamen Todesfall verwickelt worden und weiß nicht genau, was von mir erwartet wird.
Das leise Knarren einer Tür, die am Ende des Ganges geöffnet wird, reißt mich aus meinen Gedanken. Ich ziehe mich tiefer in die Nische zurück und spähe vorsichtig um die Ecke, kann aber im dämmrigen Licht nur eine Frauengestalt erkennen, die für Lady Seaton zu schlank ist. In der Hand hält sie eine Kerze in einem Leuchter und kommt mit raschen Schritten auf mich zu. Als sie an einer der Kerzen an der Wand vorbeigeht, schimmert rotgoldenes Haar unter ihrer weißen Leinenhaube auf, und ich pfeife leise durch die Zähne. Sie stößt einen kleinen Schrei aus, den sie sofort mit ihrer freien Hand erstickt. Ich lege einen Finger auf die Lippen und erhebe mich, dann warten wir beide regungslos ab, ob ein Wachposten angelaufen kommt. Alles bleibt still, und nach einem Moment sind wir sicher, dass uns niemand gehört hat.
»Ich habe auf Euch gewartet. Kann ich Euch unter vier Augen sprechen?«, frage ich mit nahezu unhörbarer Stimme.
Sie zögert kurz, dann blickt sie über ihre Schulter und nickt. Anschließend bedeutet sie mir, ihr zu folgen, führt mich die Treppe hinunter, einen weiteren Gang entlang und danach in eine leere Galerie, die nur von dem Mondlicht erleuchtet wird, das durch die Fenster fällt und blasse Schatten auf die Holzdielen malt, das nur dort schwache Färbungen aufweist, wo die Scheiben mit Buntglaswappen verziert sind. Sowie die Tür hinter uns zufällt, scheint sie ihren Entschluss schon zu bereuen, ihre Augen weiten sich vor Furcht, und sie blickt sich gehetzt um.
»Wenn man mich hier findet …«
Ich gebe leise, beruhigende Laute von mir, während ich sie von der Tür weg zu einem der großen Fenster geleite.
»Ihr wart mit Lady Cecily befreundet?«
Sie nickt nachdrücklich und schluchzt dann in ihr Taschentuch.
»Wie ist Euer Name?«
»Abigail Morley.«
»Ich denke, Ihr wisst mehr als Lady Seaton, Abigail«, dränge ich sanft.
Wieder nickt sie, diesmal tief betrübt. Sie kann mir nicht in die Augen sehen; vermutlich fürchtet sie, Verrat an ihrer toten Freundin zu begehen.
»Hatte Cecily einen Liebhaber? Hat sie Euch erzählt, dass sie sich mit jemandem treffen wollte? Wenn Ihr irgendetwas wisst – es könnte uns helfen, den Täter zu fassen.«
Endlich hebt das Mädchen den Kopf.
»Lady Seaton sagt, es wäre schwarze Magie gewesen.«
»Die Leute sprechen von Magie, wenn sie andere über ihre Unwissenheit hinwegtäuschen wollen. Aber ich glaube, Ihr wisst es besser.«
Bei diesen Worten weiten sich verblüfft ihre Augen, und sie lächelt fast über die Kühnheit, mit der jemand die Autorität ihrer Herrin in Frage zu stellen wagt. Sie steht nah bei mir, und mir fällt auf, dass sie auf eine blasse,
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