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Frevel: Roman (German Edition)

Frevel: Roman (German Edition)

Titel: Frevel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephanie Parris
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mit Howard. »Was um alles in der Welt will er hier?«
    Ich zucke nur die Achseln und schüttele den Kopf.
    »Vermutlich hat er etwas Dringendes mit Euch zu besprechen.«
    »Dann höre ich mir das besser an.« Castelnau beschleunigt seine Schritte.
    Howard funkelt mich finster an, sein Blick wandert mit der üblichen Geringschätzung an mir hinunter. Ich sehe ihm fest in die Augen, um ihm zu verstehen zu geben, dass ich mich weder von seiner Person noch von seinem Rang einschüchtern lasse. Bei dem Gedanken, dass dieser Mann kaltblütig irgendwelches Gesindel angeheuert hat, um Doktor Dee und seinen Diener auf der Straße von Oxford zu überfallen, und bei der Vorstellung, dass er, entschlossen, das Geheimnis der Unsterblichkeit zu lüften, im Schein einer Kerze über dem gestohlenen Buch brütet, wallt Zorn in mir auf. Aber auch das sind nur Vermutungen; ich wahre eine unbeteiligte Miene, Howard wendet den Blick ab, und meine Aufmerksamkeit richtet sich auf den jungen Mann an seiner Seite. Er ist ungefähr Mitte zwanzig und wie alle anderen Höflinge seines Alters kostbar in ein Samtwams mit ausladender gestärkter Halskrause gekleidet, freilich kommt mir etwas an seinem Gesicht, mit dem dünnen, wie aufgemalt wirkenden Schnurrbart, bekannt vor.
    »Sind wir uns schon einmal begegnet?«, frage ich, als er sich umdreht und mich mit seinen dunklen Augen anschaut. Es scheint ihn zu überraschen, so unverblümt angesprochen zu werden. Hinter ihm zieht Howard angesichts meines Verstoßes gegen den guten Ton scharf den Atem ein. Der junge Mann zögert fast unmerklich, er verrät sich nur dadurch, dass er sich auf die Lippe beißt und für den Bruchteil einer Sekunde den Blick abwendet.
    »Ich glaube nicht, dass wir das Vergnügen hatten, einander vorgestellt zu werden«, erwidert er mit glatter Höflichkeit.
    »Mein Neffe Philip Howard, der Earl of Arundel«, schnarrt Howard knapp, dann deutet er auf mich. »Das ist der Hausgast des Botschafters, Giordano Bruno, der Neapolitaner.« Er betont das Wort »Hausgast«, als würde er mich als Castelnaus Hure vorstellen. Der junge Mann nickt und setzt ein verbindliches Lächeln auf, und genau da erinnere ich mich: Er ist einer der beiden jungen Höflinge, die sich gestern am Holbeintor so rüde an Abigail und mir vorbeigedrängt haben. Nicht der, der mich einen spanischen Hurensohn genannt, sondern der hochgewachsene Freund, der diesen davon abgehalten hatte, zurückzukommen und seiner Beleidigung eine Handgreiflichkeit folgen zu lassen. Ich bin sicher, dass der junge Earl mich gleichfalls erkennt; vielleicht mag er es aus Scham über das Benehmen seines Freundes nicht zugeben. Engländer lieben es, Ausländer auf der Straße anzupöbeln, eine Erfahrung, die ich seit meiner Ankunft häufiger gemacht habe, als ich zählen kann, aber hier, als Gast einer ausländischen Botschaft, zieht er es vielleicht vor, nicht mit derartigen Heldentaten in Verbindung gebracht zu werden. Ich verneige mich, sage jedoch nichts.
    »Ach, Bruno – fast hätte ich es vergessen.« Castelnau dreht sich um, als er das Ende des Korridors erreicht. »Morgen findet in Whitehall ein großes Konzert statt, der Chor der königlichen Hofkapelle singt neue Werke von Master Byrd. Ihre Majestät Königin Elisabeth hat gütigerweise alle Botschafter der Länder des katholischen Europa eingeladen – vielleicht, um zu demonstrieren, dass man sie nicht als Gegnerin dieses Glaubens betrachten kann, wenn sie einen derart bekannten Katholiken als Hofkomponisten behält.«
    Er lächelt, Howard grunzt angewidert.
    »Auf jeden Fall«, fährt Castelnau fort, dabei schwenkt er eine Hand, um anzudeuten, dass er es eilig hat, »würden Marie und ich uns freuen, wenn Ihr uns begleiten würdet. Ich habe es leider versäumt, Euch schon früher bei Hof vorzustellen.«
    Ich mache Anstalten, ihm zu danken, doch er rauscht schon weiter; begierig, zu Throckmorton zu gelangen und zu hören, was den jungen Kurier zu ihm geführt hat. Ich lehne mich kurz gegen die Wand. Offiziell am Hof von Königin Elisabeth, womöglich sogar der Königin selbst vorgestellt zu werden – was könnte das für mich bedeuten? Am Ende, grübele ich, unterscheide ich mich gar nicht so sehr von den jungen Höflingen, die Fowler beschrieben hat – denen, die müßig herumlungern und darauf hoffen, dass diese Quelle aller Gönnerschaft und Privilegien auch für sie zu sprudeln beginne. Außerdem besteht freilich auch die Möglichkeit, dass ich mit Abigail

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