Frevel: Roman (German Edition)
behutsam zurück, denn ich sehe, dass Castelnau den Kopf gehoben und ihre Geste bemerkt hat. »Das Reisen auf dem Wasserweg bekommt mir nicht, das ist alles. Ich brauche nur einen Fuß in ein Boot zu setzen, und schon gerät mein Magen in Aufruhr.«
»Das muss aber unangenehm für Euch sein, wenn man bedenkt, welche langen Strecken Ihr auf dem Fluss zurücklegt«, wirft Courcelles trocken ein. Ich fahre zu ihm herum.
»Was wollt Ihr damit sagen?«
»Nichts.« Er schüttelt den Kopf, als bereue er es, überhaupt den Mund aufgemacht zu haben. »Mir ist nur aufgefallen, dass Ihr neuerdings so oft außer Haus seid. Und Ihr scheint alle Wege per Boot zurückzulegen, weiter nichts – ich frage mich, wie Eure Geldbörse das verkraftet.«
»Ich habe Empfehlungsschreiben für Büchersammler in London bei mir, die ich aufsuche, um mit meiner eigenen Arbeit fortfahren zu können«, gebe ich achselzuckend zurück. »Auf dem Fluss kommt man am schnellsten vorwärts, und ich ziehe es vor, auf eigene Kosten zu reisen, statt mir die Pferde meines Gastgebers auszuleihen. Dafür überwinde ich sogar meine Seekrankheit. Habt Ihr Probleme damit?«
Er schüttelt erneut den Kopf und verstummt, also dringe ich nicht weiter in ihn. Aber die kleine Spitze, die er sich nicht verkneifen konnte, hat ihn verraten. Woher weiß er, und warum sollte es ihn interessieren, wohin ich mich bewege und auf welchem Weg? War er der Mann in dem Boot? Kann er von denjenigen in der Botschaft, die an meiner Loyalität zweifeln, ausgeschickt worden sein, um mir nach Mortlake zu folgen? Das ist schlechterdings unmöglich – er war gestern mit der Familie Castelnau in der Kapelle, als ich von Dee zurückkam, nachdem ich von dem Fremden verfolgt worden war, der bei Putney ausgestiegen ist. Trotzdem hat Courcelles eindeutig Interesse an meinem Treiben in der Stadt. Ich werfe ihm einen verstohlenen Blick zu. Es war ein Fehler, mir einzubilden, dass nicht registriert wird, was ich tue und lasse.
Castelnau lenkt uns mit Bemerkungen über die prächtigen Häuser ab, deren Gärten sich hinter hohen Mauern bis zum Fluss erstrecken, und erzählt von deren Bewohnern: »Diese Dächer gehören zum Beispiel zu Somerset House, wo die Königin vor ihrer Thronbesteigung als Prinzessin gelebt hatte und das jetzt eine Unterkunft für ausländische Diplomaten ist; dort sehen wir den großen Torhausturm des Savoy Hospital, das der Großvater der Königin zum Wohl der Armen gegründet hat, die Landungstreppen dahinter führen zu dem prachtvollen Besitz von York Place, einst die Residenz des großen Kardinal Wolsey, die jedoch vom Vater der Königin als Geschenk für seine …« Hier hält Castelnau inne, besinnt sich auf seine berufliche Verpflichtung und vermeidet das Wort Mätresse. »… für seine zweite Frau beschlagnahmt wurden, für Anne Boleyn, die Mutter der Königin.«
Courcelles langweilt diese Führung sichtlich, aber Marie und ich, die noch nicht lange genug in London leben, um die in Stein geschriebenen Geschichten zu kennen, sind von dem Archiv von Einzelheiten im Kopf des Botschafters gefesselt. Die moosbewachsenen Ziegelmauern und Schornsteindickichte scheinen Farbe und Leben anzunehmen, als er beschreibt, was alles sich in den Hallen und Galerien dahinter abgespielt hatte. Marie scheint vor allem das Schicksal von Anne Boleyn zu faszinieren.
»Das muss man sich einmal vorstellen«, sagt sie an niemanden im Besonderen gewandt und deutet auf die Mauern von York Place, während die Ruderer der Flussbiegung folgen und das Haus außer Sicht gerät. »So viele Jahre hat der König sie geliebt und darum gekämpft, sie zu seiner Königin zu machen, und sie wartete auf ihn und schaute aus just diesen Fenstern. Und alle waren gegen eine Heirat, mussten sich gleichwohl der Stärke ihrer Liebe beugen. Er richtete für diese Frau sein Reich zugrunde. Es ist so romantisch … findet Ihr nicht?«
Sie dreht sich um und richtet die letzte Frage mit unschuldig geweiteten Augen und leicht geöffneten Lippen an mich. Mir entgeht nicht, wie sehr dies Courcelles zu verdrießen scheint. Das gehört zu ihrem Spiel, vermute ich, sie spielt uns gegeneinander aus, versucht, Rivalität in uns zu wecken. Wahrscheinlich verfährt sie mit Throckmorton genauso, wenn er da ist, und zweifellos auch mit anderen Männern. Offenbar begreift sie nicht, dass ich nicht mitspiele.
»Und sowie er sie für sich gewonnen hatte, suchte er nach Wegen, ihr den Kopf abschlagen zu lassen«, werfe ich
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