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Frevel: Roman (German Edition)

Frevel: Roman (German Edition)

Titel: Frevel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephanie Parris
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hätte und nur mich allein zurückgelassen. Auf dem Weg zu Castelnaus privatem Arbeitszimmer begegne ich keiner Menschenseele und höre noch nicht einmal Schritte, und als ich an die Tür klopfe, vernehme ich nur das Echo meiner Knöchel auf dem Holz.
    Doch nachdem ich die Tür aufgestoßen habe, sehe ich die Umrisse einer Gestalt am Fenster; sie zuckt zusammen und dreht sich erwartungsvoll um, und ich erkenne Throckmorton, den jungen Kurier. Argwöhnisch verschließt sich bei meinem Anblick sein elfenhaftes Gesicht.
    »Guten Tag, Master Throckmorton. Der Botschafter ist ausgegangen?« Ich schlage bewusst einen unbefangenen Ton an. Throckmortons Blick wandert für den Bruchteil einer Sekunde zu Castelnaus Schreibtisch, dann verneigt er sich knapp und faltet die Hände hinter seinem Rücken.
    »Die anderen sind in der Kapelle und hören die Messe. Ich warte hier auf ihn.«
    »Ah. Ihr habt Euch ihnen nicht angeschlossen?«
    »Ich bin gerade erst gekommen.« Wieder verirren sich seine Augen fast unbewusst zum Schreibtisch des Botschafters. »Ich wurde heute nicht erwartet, daher wollte ich nicht stören.« Er lächelt, aber es wirkt gezwungen.
    »Ich hatte Euch auf der Straße nach Sheffield vermutet«, bemerke ich obenhin. Ich hatte angenommen, die Eile, mit der Dumas und ich vor zwei Tagen die Briefe bei ihm abliefern mussten, hätte daher gerührt, dass Throckmorton direkt am nächsten Morgen nach Sheffield aufbrechen sollte. Was hatte ihn aufgehalten – war ihm irgendetwas Verdächtiges aufgefallen?
    »Ich musste meine Reise verschieben. Unvorhergesehene Umstände. Ich reite heute Abend los.« Selbst er lässt mir gegenüber Vorsicht walten; sogar hier in der Botschaft empfiehlt es sich nicht, zu offen zu sprechen. Ich beschließe, ein Risiko einzugehen.
    »Wegen Mendozas Neuigkeiten?«
    »Ihr wisst davon?« Sein Misstrauen ist augenblicklich geweckt.
    »Ich war hier, als er gestern Castelnau besucht hat.« Gleichgültigkeit vortäuschend nehme ich eine Schreibfeder vom Tisch des Botschafters, drehe sie zwischen den Fingern und lege sie zurück – alles, ohne Throckmorton anzuschauen. »Eine interessante Entwicklung der Dinge.«
    Verstohlen schiele ich zu dem jungen Mann hinüber. Er wirkt erleichtert und entspannt sich sichtlich.
    »In der Tat«, erwidert er. »Mit spanischen Truppen und spanischem Geld haben wir eine reelle Chance auf Erfolg. Ich hatte nicht erwartet, dass Philip so schnell einwilligt.«
    Also hatte ich richtig vermutet. In Throckmortons Augen leuchtet derselbe Glanz wie in denen von Marie de Castelnau, als sie von dem glorreichen Unterfangen sprach, England wieder unter katholische Herrschaft zu stellen. Sein glattes Gesicht ist von der freudigen Erregung eines Jungen angesichts der Aussicht auf ein Abenteuer erhellt, seine Begeisterung wird ganz offensichtlich nicht durch persönliche Erfahrungen mit Krieg oder Massakern gemildert. Wieso findet ein junger Mann wie dieser – mit seinem kultivierten Akzent, dem gut geschnittenen Wams aus dunkelgrüner Wolle und den teuren Lederstiefeln – Gefallen daran, seinen Glauben anderen mittels spanischer Kriegsschiffe aufzuzwingen?
    »Eure Familie hat demnach unter dem protestantischen Regime sehr gelitten?« Ich nehme den Deckel von einem Tintenfass aus Emaille und gebe vor, mich darauf zu konzentrieren.
    »Meine Familie?« Er klingt verwirrt. »Wie kommt Ihr denn darauf?«
    Ich drehe mich zu ihm um.
    »Nun, ich bin davon ausgegangen, dass alle Engländer, die sich gegen ihre Königin verschwören, Grund haben müssen, die Protestanten zu hassen. So wie Lord Howard.«
    Trockmorton legt den Kopf schief.
    »Glaubt Ihr nicht, dass es Männer gibt, die allein für ihren Glauben kämpfen? Für ihre Überzeugungen?«
    Ich zucke die Achseln.
    »Das halte ich durchaus für möglich. Nach meiner Erfahrung sind Rache oder Habgier jedoch die stärkeren Motive.«
    Er mustert mich einen Moment mit erneut aufflammendem Misstrauen.
    »Vielleicht habt Ihr nie leidenschaftlich genug an etwas geglaubt, um dafür zu kämpfen.«
    Ich lächele, ohne auf die in der Bemerkung enthaltene Kränkung einzugehen. Es stimmt, ich würde ihm am liebsten klarmachen, dass ich das Leben unschuldiger Menschen für einen zu hohen Preis für die Durchsetzung irgendeines Glaubens halte, aber ich habe eine Rolle zu spielen.
    »Oh doch, das habe ich und tue ich, sonst wäre ich jetzt nicht hier. Aber ich wurde katholisch erzogen. Ich war nur neugierig, was einen jungen Engländer dazu

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